Viel Klamauk, kein Tiefgang

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"Così fan tutte“ bildete den Abschluss, aber alles andere als den Höhepunkt der Musiktheaterproduktionen dieses Salzburger Festspielsommers. "Giovanni“ und "Figaro“ folgen 2014/15 …

Werke entsprechend zu besetzen ist stets eine Herausforderung. Erst recht, seit in den letzten Jahrzehnten unverwechselbare Persönlichkeiten - und das bezieht sich nicht nur auf Sängerinnen und Sänger - rarer geworden sind. Spätestens seit Beginn der Staatsopernära Dominique Meyers weiß man von den Schwierigkeiten, einen erstklassigen Mozart/Da-Ponte-Zyklus aufzustellen. Im Haus am Ring hat man die Konsequenzen gezogen und nach den enttäuschenden Neuproduktionen von "Don Giovanni“ und "Figaro“ keine neue "Così“ angesetzt. Geradezu eine Einladung für die Salzburger Festspiele, um zu beweisen, dass es doch möglich ist, ein solches Projekt auf höchstem Niveau zu realisieren. Alexander Pereira nannte auch einen neuen Mozart/Da-Ponte-Zyklus als Herzstück seiner auf fünf Jahre angelegten Intendanz, von der man mittlerweile weiß, dass sie bereits nach dem nächsten Sommer, damit nach nur drei Jahren, unerwartet Geschichte sein wird.

Welser-Mösts Rückzug als Fanal

Wie bereits in seiner Direktion in Zürich wollte er diese Aufgabe Franz Welser-Möst und Sven-Eric Bechtolf übertragen, obwohl deren Deutungen längst auf DVD nachzusehen sind. Aber warum nicht einem Team, dem man vertraut, dieselbe Aufgabe ein zweites Mal geben? Oftmals führt erst die wiederholte Auseinandersetzung mit demselben Thema zu den erhofften außerordentlichen Ergebnissen. Aber nicht alles, was man sich wünscht, muss in Erfüllung gehen. Als Welser-Möst von den für die neue "Così“ vorgesehenen, auf wenige Tage zusammen gedrängten Aufführungsterminen erfuhr, zog er sich verärgert aus diesem Projekt zurück. Die schon in den letzten Zürcher Jahren schwächer gewordene Achse zwischen Pereira und seinem einstigen Generalmusikdirektor war damit endgültig zerbrochen.

Wenigstens den Regisseur - zugleich sein Salzburger Schauspieldirektor - konnte Pereira halten. Suchen musste er aber einen neuen musikalischen Leiter für dieses Dreisommerprojekt. Bald hatte er ihn in Christoph Eschenbach gefunden, was ebenso Erstaunen auslöste wie die ursprüngliche Konstellation. Aber immerhin hat Eschenbach diese drei zentralen Mozart-Opern schon aufgeführt, noch dazu mit jeweils prominenten Besetzungen. Hatte also Pereira doch den Richtigen aus dem Hut gezaubert?

Spätestens nach der verpatzten "Capriccio“-Wiederaufnahme an der Staatsoper Ende letzter Saison, mit der Eschenbach sein misslungenes Debüt im Haus am Ring feierte, hätte man gewappnet sein müssen. Schon damals zeigte sich, wie wenig Dirigent und Orchester in der Oper zu einem musikalisch erfüllten Miteinander finden. Offensichtlich schien dies nicht Warnung genug. Und so ist tatsächlich gekommen, was nach dieser Staatsopernserie so mancher unkte: Diese Salzburger "Così“ - und damit der Beginn des im kommenden Jahr mit "Don Giovanni“ weitergeführten und 2015 mit "Le nozze di Figaro“ abgeschlossenen Mozart-Zyklus’ - ist gründlich daneben gegangen.

Man muss, um solches zu konstatieren, gar nicht nur die glanzvollen "Così“-Serien in der jüngeren Salzburger Festspielgeschichte unter Karl Böhm und Riccardo Muti bemühen. Selbst schwächere Aufführungen dieser Oper besaßen ungleich mehr Ausstrahlung, Charme und Niveau als diese Neuproduktion. Locker und leicht wollte Eschenbach diesen Mozart, dieses fein gewobene Spiel von der menschlichen Seele, präsentieren. Geworden ist es ein sehr erdiger, Brillanz und Tiefgang ziemlich vermissen lassender Abend, bei dem auch die Philharmoniker kaum bewiesen, dass sie nicht nur das beste Opernorchester der Welt sind, sondern sich auf Salzburgs Genius loci besonders verstehen. Was nützt das eine oder andere hingebungsvoll modellierte Detail, wenn man insgesamt weder eine Tempodramaturgie erkennen kann noch sich eine Spannung entwickelt, die wenigstens einen Teil des Abends trägt?

Auch bei der Auswahl der Solisten hatte man, abgesehen von der quirlig das Geschehen mitbestimmenden Martina Janková als vokal mustergültiger Despina und Gerald Finley als souverän die Fäden im Hintergrund ziehendem, markant artikulierendem Don Alfonso, keine glückliche Hand. Malin Hartelius (Fiordiligi) und - noch mehr - Marie-Claude Chappuis (Dorabella) kämpften mit den Schwierigkeiten ihrer Aufgaben, auch Martin Mitterrutzner (Ferrando) zeigte sich seiner Rolle nicht gewachsen. Routiniert Luca Pisaronis Guglielmo.

Gift für den Philosophen

Sven-Eric Bechtolf lässt in einer Art Wintergarten (Bühne: Rolf Glittenberg) die Handlung ablaufen, zeigt von Beginn weg mehr Sympathie für die Frauen als die hier ziemlich tölpelhaft auftretenden Männer. Er setzt auf komisch gedachte, aber selten so über die Bühne kommende Pointen und filmartige Bilder. Warum am Ende Don Alfonso von Guglielmo vergiftet wird, bleibt offen. Oder will Bechtolf damit sagen, dass jeder, der anderen die Augen öffnet, dem Tod geweiht ist? Schließen lässt sich dies weder aus Text noch Musik. Aber um Tiefgang ist es bei dieser "Così“ ohnedies nicht gegangen. Ob sich das bei der Fortsetzung dieses Zyklus’ ändern wird?

Così fan tutte

Salzburger Festspiele

31. August

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