Viel Schauder um nichts

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Im Burgtheater-Kasino am Schwarzenbergplatz zeigt man "Die Ahnfrau“. Aus Grillparzers Schicksalstragödie wird eine banale Schmierenkomödie.

Auf Burg Borotin herrscht schlechte Stimmung, kein Wunder, begleiten doch Frevel und Unglück, in Gestalt einer schauerlich liebreizenden Ahnfrau, seit Generationen die Bewohner dieses zugigen Hauses. Nahendes Unheil zieht sie magisch an, und da kommt die gespenstische Schönheit an diesem Premierenabend im Kasino am Schwarzenbergplatz genau richtig, denn unheilvoller als mit dieser Inszenierung vom Chef des Hauses, Matthias Hartmann, kann der Österreich-Schwerpunkt des Burgtheaters nicht zu Ende gehen. Aus Franz Grillparzers Schicksalstragödie (eines seiner ersten Dramen aus dem Jahr 1817) wird eine banale Schmierenkomödie, die eine einzige Frage laut werden lässt: Warum das Ganze?

Sechs Schauspieler lesen einen Autor

Doch zunächst beginnt das Spiel noch vielversprechend, mit einem herzlichen "Guten Abend“ begrüßt das sechsköpfige männliche Schauspielteam die Anwesenden, um sich dann auf Pulte verteilt, den Beginn von Grillparzers Drama vorzulesen. Untermalt wird dieses epische Intro von den sphärischen Klängen des vielbeschäftigten Theatermusikers Karsten Riedel, der auf beeindruckende Weise als Ein-Mann-Orchester Saiten- und Tasteninstrumente gleichermaßen zu bedienen weiß. Manche der tragischen Verse, die da mit übertriebener Geste und viel Schmalz in der Stimme von den Schauspielern ins Publikum geworfen werden, unterlegt Riedel zusätzlich mit gesungenen Passagen, um so das absurde Treiben auf der Bühne mit einem dunklen Echo zu begleiten.

Berta (mit Dreitagebart und elfenhaften Bewegungen: Maik Solbach) und ihr Vater, der alte Graf Zdenko von Borotin (Ignaz Kirchner), fristen in den finstren Burghallen gemeinsam mit ihrem Kastellan (Johann Adam Oest) ein bescheidenes Dasein. Erst als der smarte Räubersohn Jaromir (Oliver Masucci) eines Nachts vor der Tür steht und sich zunächst als unbescholtener Jüngling ausgibt, um Zutritt zu Haus und Herz der Borotins zu erhalten, nimmt das Schicksal seinen Lauf, an dessen Ende fast alle tot sind und die Ahnfrau (mit Hang zum Ausdruckstanz: Sven Dolinski) endlich ihre Ruhe findet. Denn das gespenstische Burgfräulein, das einst von ihrem Mann beim Seitensprung erwischt und getötet wurde, wandelt solange durch die dunklen Hallen bis auch das letzte Familienmitglied der Borotins vernichtet ist. Zuvor werden allerdings noch Fechtkünste erprobt, spielt man "Räuber und Gendarm“, und der tapfere Held Jaromir muss erkennen, dass auch er vom Geschlecht der Borotins abstammt. Vatermord, Inzest, Selbstmord und todbringender Liebeskummer - an Schicksalsschlägen fehlt es nicht, die, abwechselnd von den Schauspielern erzählt und gespielt, bisweilen sogar charmante Szenen ergeben, etwa, wenn Berta, wenig angetan von Jaromirs Fluchtplänen, erst nach einem Blick ins Textbuch vom gemeinsamen Vorhaben überzeugt werden kann.

Geisterbahnfahrt postmoderner Dramatik

Es ist ein comichaftes Schauermärchen, das hier präsentiert wird. Die Ahnfrau erinnert an die kalte Morra aus der Kinderbuchwelt der Mumins, stets von Nebelschwaden, fahlem Licht und gespenstischen Tönen umgeben. Ein Gruselkabinett mit schrecklich-schaurigen Figuren und ebensolchen Special Effects (schön anzusehen sind die Videoprojektionen in Stummfilmoptik). Absurditäten reihen sich unablässig aneinander, trotzdem kommt rasch Langeweile auf, denn diese Geisterbahnfahrt postmoderner Dramatik hat wenig zu bieten, auch wenn das Ensemble sich stellenweise mit viel Herz und Schmerz ins Zeug legt.

Fragen nach Moral, nach Gerechtigkeit und dem Geworfensein in ein soziales Milieu schließt diese Form der Inszenierung von vornherein aus, immerhin finden sie zumindest im Programmheft Erwähnung. "Du sagst viel mit wenigen Worten“, heißt es an einer Stelle im Stück. Hier wird jedoch mit viel Getöse gar wenig erreicht.

Die Ahnfrau

Kasino (Burgtheater)

weitere Termine: 30. April, 4., 7., 9. Mai

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