Viel Show und viel Gewinn

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Fitness und Sport sind bedeutende Wirtschaftsfaktoren, Fußballklubs Riesenunternehmen und Profis Großverdiener geworden. Von sportlichen Großveranstaltungen erwartet man sich weitreichende, wirtschaftliche Impulse. Das Dossier wirft Schlaglichter auf eine bewegte Szene. Redaktionelle Gestaltung: Christof Gaspari

Unsummen verdient heute die internationale Sportelite als Hauptakteur einer medienträchtigen Szenerie. Sie trägt damit zur dynamischen Entwicklung einer Wachstumsbranche bei.

Ort der Handlung: Torrejón de Ardoz, Militärflughafen bei Madrid, wo Spaniens Regierung Staatsgäste empfängt. Zeit des Geschehens: 1. Juli 2003, 13 Uhr 02: Das Fernsehen des Landes unterbricht sein Programm und überträgt live, wie David Beckham, um 35 Millionen Euro von Real Madrid erworbener englischer Fußballstar, auf dem Weg zu seinem neuen Arbeitsplatz einem Privatjet entsteigt.

Am Tag darauf stellt Real seine Neuerwerbung vor: 542 Journalisten sind akkreditiert, 39 Fernsehstationen übertragen das Großereignis in die ganze Welt. An den Bildschirmen verfolgen zwei Milliarden Zuseher, wie Beckham erstmals das Real-Trikot überstreift, wieder genau zur Mittagszeit: "Prime time" in Asien, Reals Hoffnungsmarkt für das Beckham-Show-Geschäft. In den nächsten drei Jahren soll der Verkauf von Beckham-Trikots 140 Millionen Euro hereinspielen. Wie umsatzträchtig das Produkt ist, bewies es am ersten Verkaufstag: Der gesamte Trikot-Vorrat - immerhin 8.000 Stück - war weg wie nichts. Reinertrag: 800.000 Euro.

Fußball als Renner

Sicher, der Rummel rund um den englischen Fußballstern, war selbst für den heutigen Sportbetrieb überdimensional. Welche wirtschaftliche Bedeutung dem Geschehen auf Sportplätzen heute zukommt, lässt sich jedoch an vielen Fakten illustrieren. Bleiben wir beim Fußball: Die Einnahmen der deutschen Bundesliga für die TV-Vermarktung sind von zehn Millionen Euro (1987/88) auf derzeit 290 Millionen gestiegen. Die Anziehungskraft, die Fußball ausübt, machen die Fernseh-Einschaltquoten deutlich: Das WM-Finale Deutschland gegen Brasilien lockte 88 (!) Prozent der Deutschen an, mehr als die Bundestagswahlen ein paar Wochen später.

Mit dieser Fußball-Begeisterung ist Deutschland aber keineswegs Spitzenreiter in Europa. Die englische "Premier League" spielt pro Jahr 2,5 Mal so viel herein wie die Bundesliga. Insgesamt wird das Marktvolumen sämtlicher Fußballrechte in England, Frankreich, Italien, Spanien und Deutschland auf 3,6 Milliarden Euro geschätzt.

Auch bei den großen Profi-Golf-Turnier-Serien sind enorme Preisgelder ausgesetzt: insgesamt 363 Millionen Euro. Ähnlich geht es beim Tennis zu: Superstar Pete Sampras - er trat kürzlich ab - verdiente im Laufe seiner Karriere bei Turnieren 43 Millionen Dollar.

Mit Coca Cola fing es an

Woher das Geld kommt? Aus den Werbebudgets der Riesenkonzerne. Sie nützen das Interesse der Menschen am Sportgeschehen als Vehikel für die Platzierung ihrer Produkte. Immer größere Beträge fließen ins Sponsoring, bei dem Unternehmen Sportler oder Vereine dafür bezahlen, dass sie für das Unternehmen werben.

Sponsoring kann mittlerweile auf fast 100 Jahre Geschichte zurückblicken. Den Anfang machte "Coca Cola" 1907 mit Werbung bei Baseball-Spielen. 1928 sponserte der Getränkekonzern die Olympischen Spiele in Amsterdam. Andere Unternehmen griffen die Idee auf. So wurde der Star des österreichischen Wunderteams, Matthias Sindelar, zum begehrten Werbeträger. Er betätigte sich als Dressman, ließ sich auf Plakaten für "Miag"-Fru-Fru abbilden und Sprüche wie: "Sindelar, der beste Spieler der Welt, ist glücklicher Besitzer der wertvollen Alpina-Gruen-Pentagon-Uhr" wurden herumgereicht.

Wirklich losgegangen ist das Geschäft mit dem Sponsoring in den achtziger Jahren, als das Olympische Komitee seine Politik änderte und gezielt auf Werbung zu setzen begann (Seite 23). Mittlerweile werden Spitzensportler in vielen Sportarten im großen Stil als Werbeträger genutzt.

Typisches Beispiel der fünffache Tour de France-Sieger Lance Armstrong: 13 Sponsoren von "Nike" bis zum Autohersteller "Subaru" nützen seine Popularität. Subaru lässt sich das zwölf Millionen Dollar jährlich kosten - ein gutes Geschäft für die Japaner, die in vier Jahren ihren US-Auto-Absatz um ein Drittel steigern konnten. Was Armstrong besonders zugute kommt: Er lässt sich nicht nur als Sieger vermarkten, sondern - nachdem er eine Krebserkrankung überwunden hat - auch als Symbol für Hoffnung und Heldentum.

Manche Athleten sind wahre Litfasssäulen, etwa der fünffache Formel-1-Weltmeister Michael Schumacher in seiner Arbeitskluft. Als Spitzenverdiener in der Branche bringt er es Schätzungen zufolge auf mehr als 50 Millionen Euro im Jahr.

Er verdankt dies dem Umstand, dass das Geschäft mit den Autorennen im letzten Jahrzehnt enorm gewachsen ist. Sieben der größten Automobilkonzerne sind in die Formel-1 eingestiegen und stecken Riesensummen in den Renn-Zirkus, allein der Spitzenreiter Toyota 400 Millionen Euro im Jahr.

Nicht nur im Bereich der Werbung spielt Sport jedoch eine hervorragende wirtschaftliche Rolle. Er ist eine Wachstumsbranche, wie die Studie "Wirtschaftsfaktor Sport" des Industriewissenschaftlichen Instituts in Wien am Beispiel Österreich festhält.

100.000 Arbeitsplätze

Im Jahr 1998 - der letzten einschlägigen Erhebung - habe der Sport hierzulande eine Wertschöpfung von 5,4 Milliarden Euro initiiert. "Die vom Sport angeregte Wertschöpfung entspricht beinahe drei Prozent des österreichischen BIP", heißt es in der Studie. Dabei wurden in der Arbeit wichtige Bereiche wie Sportwetten, Toto, Sportmedizin, und Konsumationskosten bei Sportevents nicht einbezogen. 100.000 Personen dürften in Österreichs Sportbranchen und deren Zulieferern beschäftigt sein, mehr als 50 Prozent davon im Sport-Tourismus. Tendenz steigend.

Starke Zuwächse gab es Ende der neunziger Jahre in Österreichs Sportartikel-Fachhandel. Seinen Umsatz schätzt "RegioPlan Consulting" für das Jahr 2001 auf 1,82 Milliarden Euro. Es wächst der Anteil von Mega- und Superstores in der Branche, die Event- und Testflächen sowie ein sehr breites Angebot bieten. In den sieben Prozent der Geschäfte mit einer Fläche von über 1.000 m2 werden mittlerweile 44 Prozent des Gesamtumsatzes der Branche getätigt.

Wachsende Dominanz der Großen diagnostiziert "RegioPlan" auch in der Szene der österreichischen Fitness-Center. Der Einzug internationaler Ketten habe dazu geführt, dass die bisherigen Einrichtungen - meist mit Flächen von 300 bis 500 m2 - Konkurrenz von Fitness-Tempeln mit Flächen von 4.000 bis 5.000 m2 bekommen.

Fitness: Frauen sehr aktiv

Verändert hat sich in letzter Zeit auch die Klientel der Studios. Waren zunächst Männer unter 30 und aktive Sportler die Zielgruppe der Fitness-Branche, so nimmt in den letzten Jahren der Anteil der älteren Menschen und der Frauen stark zu. Das wiederum wirkte sich auf die Ausstattung der Fitness-Zentren aus. "RegioPlan": "Das klassische Fitness-Center mit Geräten zum ausschließlichen Training der Muskulatur ist out. Die große Masse besucht das Fitness-Center, um seine Freizeit sportlich zu gestalten und um Ruhe und Erholung zu suchen. Das zeitgemäße Fitness-Center verfügt über Schwimmhallen, Sauna, Massage-Angebot und Meditations- und Ruhebereiche!"

Erstaunlich hoch ist die Zahl der Interessenten für dieses Angebot. Laut einer Umfrage des Fachverbandes der Freizeitbetriebe (Stand August 2003) sind fast zehn Prozent der Österreicher Mitglieder in einem Fitness-Studio, mittlerweile schon mehr Frauen als Männer. Rund 130 Millionen Euro lassen sie sich dieses schweißtreibende Vergnügen kosten - bei Einschreib-Gebühren, die erstaunlich weit streuen: von 40 bis 1.200 Euro.

Dieses wachsende Interesse für Sport findet seinen Niederschlag auch in der steigenden Nachfrage nach Extremsportarten wie River-Rafting, Paragleiten oder Klettern. Joggen und Mountainbiken erfreuen sich großer Beliebtheit.

Sport: wichtig für Tourismus

Immer mehr Menschen sind imstande, über lange Distanzen zu laufen. Das lässt sich an der Beteiligung bei den Stadt-Marathon-Läufen ablesen. Markantes Beispiel der Wien-Marathon: Nahmen 1984 bei der ersten Veranstaltung erst 800 Läufer teil, so waren es heuer 10.503. Der Umstand, dass Sport immer wichtiger als FreizeitBeschäftigung wird, ist für das Fremdenverkehrsland Österreich von Bedeutung. Für fünf bis zehn Prozent der Touristen steht nämlich Sport im Mittelpunkt ihrer Urlaubsgestaltung.

Auf diesem Hintergrund werden die Umsatz-Zahlen der Giganten in der Sportartikel-Erzeugung verständlich. Die Nummer 1, "Nike", bringt es auf 9,1 Milliarden Euro, Adidas auf 6,5 Milliarden, Reebok auf 2,7 Milliarden. Klar, dass da große Werbe-Budgets zum Einsatz kommen, um die Kunden weltweit bei Laune zu halten. Was das "Adidas"-Sponsoring anbelangt, erklärte kürzlich Herbert Hainer, Vorstands-Chef des Unternehmens, in einem spiegelInterview: "Wir geben für Marketing generell etwa 650 Millionen Euro aus. Die Hälfte davon fließt ins Sponsoring. Vor zehn Jahren hatten wir noch das Gros der Fußball-Bundesligisten unter Vertrag. Heute wollen wir globale Symbole wie Real Madrid - die natürlich deutlich mehr Geld kosten."

Darauf haben sich die großen Profi-Vereine offensichtlich eingestellt. Allerdings droht das, was auf dieser weltweiten, ertragreichen Bühne geboten wird, immer mehr zur Show zu entarten. Ob dabei auf Dauer nicht der Sport zu kurz kommt?

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