Viele Sterne in Athen

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Festwochen-Premiere am Burgtheater mit Bruno Ganz als "Ödipus in Kolonos".

Wenn ein 2400 Jahre altes Drama aufgeführt wird, ist zweierlei möglich: zu viel Ehrfurcht oder zu krampfhaftes Bemühen um Modernisierung. Regisseur Klaus Michael Grüber ist bei der Festwochenpremiere des Burgtheaters beiden Versuchungen nicht erlegen. Seine Inszenierung lässt "Ödipus in Kolonos", dem letzten Stück des Sophokles, seine Patina und macht ohne gängige Regiemätzchen das zeitlos Gültige sichtbar. Schmunzeln löst bisweilen die neue Übersetzung von Peter Handke aus, wenn Ausdrücke wie "Mauschelmechanik", "Wortgedudel" oder "sklerotischer Säusler" fallen.

Handkes Übersetzung

Kahle dünne Stämmchen, einige Ziegel, ein treppenartig gestalteter Felsen, alles umgeben von Stoffbahnen (Bühne: Anselm Kiefer), deuten den heiligen Hain von Kolonos bei Athen an. Hier sucht der aus seiner Heimatstadt Theben verbannte Ödipus, geführt von seiner Tochter Antigone, Zuflucht. Sein tragisches Schicksal enthüllte sich im Drama "König Ödipus": unbewusste Tötung des eigenen Vaters und Vermählung mit der eigenen Mutter, Selbstbestrafung durch Ausstechen der Augen.

Nun blickt Ödipus seinem Tod entgegen und verheißt denen, die ihn aufnehmen, den Segen der Götter. Inzwischen ist ein Machtkampf um den Thron von Theben ausgebrochen, und die Beteiligten versuchen, Ödipus für sich zu instrumentalisieren und zur Heimkehr zu bewegen. Doch Ödipus weist seinen Schwager und Onkel Kreon, der ihn "heim ins Reich" holen will und dazu sogar die Töchter als Geiseln nimmt, ebenso deutlich ab wie seinen Sohn Polyneikes, der im Zug der "Sieben gegen Theben" dem jüngeren Bruder Eteokles die Herrschaft wieder abjagen will. Es sind König Theseus und die gottesfürchtigen Athener, denen Ödipus vertraut - und die Sophokles, der bereits den Niedergang der Stadt erleben musste, seinen Landsleuten als positives Vorbild aus alten Zeiten vor Augen führen will.

Das Sinnieren des Chores über die Mühsal, geboren zu werden, leben zu müssen und ein hohes Alter zu erreichen, bildet einen Höhepunkt des Stückes. Das Vermächtnis des greisen Sophokles an die Nachwelt kommt in der Warnung vor der menschlichen Hybris und in der Mahnung, in einer guten Polis Gottesfurcht und sittliche Gesetze zu achten, deutlich zum Ausdruck.

Erstklassiges Ensemble

Der erstmals am Burgtheater spielende Ifflandring-Träger Bruno Ganz gewinnt erst im Lauf des Abends, aber dann umso mehr, an Profil und führt ein Ensemble aus erstklassigen Akteuren mit hoher Sprechkultur an. Otto Sander ist ein würdiger Theseus, Johann Adam Oest ein gefährlich wirkender Kreon. August Diehl stellt den Polyneikes als zappelnden Neurotiker dar, der sein Schicksal kennt, aber nicht mehr vermeiden kann. Die Antigone der stark agierenden Birgit Minichmayr schreit nach einer Fortsetzung in der Titelrolle der berühmtesten Sophokles-Tragödie. Mareike Sedl steht ihr als Ismene nicht viel nach.

Warum der Chor der Alten mit Ignaz Kirchner, Branko Samarovski und Paul Wolff-Plottegg, zu dem sich immer wieder der auch als Bote und Einheimischer brillierende Martin Schwab gesellt, gar so zittrig agieren muss, ist nicht einzusehen. Aber das ist ein Detail an einem Abend, der langatmig beginnt, aber zuletzt viele Sterne in Athen erstrahlen lässt.

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