Vielfalt, Interesse, Fluktuation sind groß

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Die Österreichische Buddhistische Religionsgesellschaft erreichte vor 15 Jahren die staatliche Anerkennung als Religion. Anlaß zu Feiern und Bilanz über den "Austrobuddhismus".

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Die Österreichische Buddhistische Religionsgesellschaft erreichte vor 15 Jahren die staatliche Anerkennung als Religion. Anlaß zu Feiern und Bilanz über den "Austrobuddhismus".

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Mit Vortragsreihen in Salzburg, Graz und Wien, einem Tag der offenen Tür und einem Festakt bei der Friedenspagode am rechten Donauufer in Wien als Höhepunkt feierten österreichische und asiatische Buddhisten die offizielle Anerkennung ihrer Religion vor 15 Jahren. Festredner waren neben Rev. Herbert Genro Koudela Osho, dem Präsidenten der Österreichischen Buddhistischen Religionsgesellschaft (ÖBR), Petrus Bsteh, Leiter der Kontaktstelle für Weltreligionen der Österreichischen Bischofskonferenz und der Religionswissenschaftler Johann Figl, Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät der Wiener Universität. Betont wurden Gewaltlosigkeit und Friedfertigkeit als zentrale Aspekte des Buddhismus, die auch für die abendländische Gesellschaft von größter Wichtigkeit seien. Nur auf ihrer Grundlage könne ein religionenübergreifender Dialog zustande kommen, der den Frieden auf der Welt fördere. Generell gewürdigt wurde, wie sehr sich der Buddhismus seit 1983 ins österreichische Alltagsleben integriert hat.

Damals hatte es eine kleine Gruppe von aktiven Buddhisten nach jahrelangem Kämpfen mit Ministerialbeamten des Kultusamtes geschafft, die Anerkennung als öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaft zu erringen. Heute hat sich der Buddhismus in Österreich etabliert und ist langsam, aber stetig im Wachsen begriffen. Nach einer internen Hochrechnung der ÖBR bekennen sich derzeit 16.300 Menschen zum Buddhismus. Die Zahl der buddhistischen Gruppen ist erheblich gewachsen und in ihrer Vielfalt für den Laien kaum noch überschaubar.

Ernst und Mode Die umfangreiche Quartalszeitschrift "Ursache & Wirkung" weist auf eine rege Publikationstätigkeit von Buddhisten aller Richtungen hin. Es gibt buddhistischen Religionsunterricht für Schulkinder aller Altersstufen und regelmäßige Einführungskurse in die verschiedenen Traditionen. Auch bauliche Spuren hat der Buddhismus bereits in Österreich hinterlassen. Neben der Wiener Friedenspadoge an der Donau, die vom japanischen Nichiren-Orden Nipponsan Myohoji errichtet wurde, ist inzwischen auch im Grazer Volksgarten eine Stupa, ein buddhistischer Reliquienschrein, fertiggestellt. Sie soll im Juni vom Dalai Lama eingeweiht werden.

Der Buddhismus boomt also - wie überall in der westlichen Welt - auch in Österreich. Tut er das wirklich? Tatsache ist, daß durch mehrere Spielfilme, aber auch durch unzählige Medienberichte der Buddhismus große Bekanntheit erreicht hat. Besonders in intellektuellen Kreisen ist es momentan fast ein Muß, sich mit buddhistischer Literatur auseinanderzusetzen. Hinzu kommt, daß sich inzwischen viele Stars und Schauspieler als Buddhisten geoutet haben. In Österreich sind Vertreter dieser Spezies zwar spärlich, aber es gibt sie. Doch zum äußeren Bild einer Modeerscheinung kommen ernstzunehmende Gründe für das wachsende Interesse am Buddhismus.

Bhikku Bhante Seelawansa Thero, ein Mönch aus Sri Lanka, Angehöriger des Theravada-Buddhismus, der ältesten heute noch praktizierten Richtung der fernöstlichen Religion, erläutert, daß die Menschen im Westen vor allem von innerer Unruhe bedrängt seien. Materieller Wohlstand mache die Menschen nicht glücklich. Der Buddhismus biete ihnen eine Methode, die zu innerer Ruhe und geistigem Frieden führe. Die Möglichkeit eines Übungsweges, für dessen Erfolg der einzelne selbst die Verantwortung trägt, kommt den Ansichten moderner Menschen sehr entgegen. Zumal die etablierten Kirchen - nicht zuletzt auch durch einen Mangel an charismatischen Persönlichkeiten - immer mehr in Mißkredit geraten.

Hier kann der Buddhismus (unter anderem mit dem von den Medien als bescheiden und sympathisch wahrgenommenen Dalai Lama) punkten. Auch die zahlreichen tibetischen Lamas, die aufgrund ihrer Exilsituation nun im Westen neue Zentren und Schülerkreise aufbauen, genießen den Respekt und die Verehrung spirtuell suchender Westler.

So bietet eine Vielzahl von Gründen Erklärung für das Phänomen Buddhismus-Boom. Andererseits weisen langjährige Leiter buddhistischer Gruppen darauf hin, daß der Kreis der regelmäßig zur Meditation Kommenden nicht wirklich anwächst. Etwa genauso viele Interessenten schnuppern neugierig in den Buddhismus hinein, wie sie den Übungspfad auch wieder verlassen. Die Fluktuation in den Gruppen ist groß. Zu mühsam und aufwendig erscheint den meisten die regelmäßige Meditation, zu viel Selbstdisziplin - ungewohnt in unserer schnellebigen Kultur - wird verlangt.

Lehrgang in Salzburg Dennoch ist das Interesse der Menschen am Buddhismus vor allem auf intellektueller Ebene bisher ungebrochen. Diesem Trend will das Salzburger Bildungshaus St. Virgil im Herbst mit einem einjährigen Lehrgang zum christlich-buddhistischen Dialog entgegenkommen. Unter der Leitung des Münchner Religionswissenschafters Univ. Prof. Dr. Michael von Brück werden namhafte Vertreter des Buddhismus eine Einführung in Quellentexte, Grundlehren und Praxis geben. Als Kursteilnehmer angesprochen sind Lehrer, kirchliche Mitarbeiter und Erwachsenenbildner. Auch eine Studienreise in buddhistische Klöster in Thailand und Indien ist für den Herbst geplant. Ein Fixpunkt wird der Besuch beim Internationalen Netzwerk Engagierter Buddhisten (INEB) in Bangkok sein.

Einer der Gründer dieser seit 1989 bestehenden Vereinigung aktiver Buddhisten aus Ost und West ist der thailändische Sozialkritiker Sulak Sivaraksa. Er fordert seit langem eine radikale Veränderung der Wirtschafts- und Lebensstrukturen hin zu einer idealen Gesellschaftsordnung im Geist des Buddhismus. Auf der Grundlage der buddhistischen Ethik tritt er gegen Kapitalismus, Konsumismus, Sexismus und Militarismus auf. In Thailand selbst wurde Sulak Sivaraksa deshalb mehrmals inhaftiert und exiliert. 1995 wurde er für sein weltweites Engagement mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet. Er ist zugleich ein gutes Beispiel für einen gelebten Dialog zwischen Christentum und Buddhismus.

Lebensschule & Ritual So gründete er einen Reihe von Organisationen, die sozial engagierten Menschen aller Religionen die Möglichkeit zu gemeinsamer Friedensarbeit bietet. Sivaraksa unterscheidet in seinen Schriften zwischen Religion als Bewußtseins- und Lebensschulung und Religion als Institution und Ritualismus. Zweitere sei gegenüber der ersteren unwichtig. Die Betonung des Universalen in der menschlichen Natur ermögliche eine Begegnung der Menschen über alle Religionsgrenzen hinweg.

Während westliche Buddhisten die Meditationspraxis als Möglichkeit verwenden, der hektischen, materialistisch eingestellten Welt zu entkommen, machen sich asiatischen Buddhisten abendländischen Aktionismus zunutze, um für eine gerechte Wirtschaftsordnung einzutreten. So scheinen sich Ost und West in ihrem Bedürfnis nach Veränderung auf spiritueller Grundlage zu treffen. Bestätigt wurde dieser Eindruck jedenfalls beim Festakt der Österreichischen Buddhistischen Religionsgesellschaft am 10. Mai in Wien, bei dem Asiaten und Österreicher gemeinsam 15 Jahre Austrobuddhismus feierten.

Lehrgang: Grundkurs Buddhistisch-christlicher Dialog Wissenschaftliche Leitung: Univ.Prof. Dr. Michael von Brück, München Dauer: 10 Wochenenden zwischen 1. Oktober 1998 und 3. Juli 1999 (fakultativ: Studienreise nach Thailand und Indien) Veranstalter und Informationen: Bildungshaus St. Virgil, 5026 Salzburg, Ernst-Grein-Str. 14, Tel.: 0662/65901-0, Fax: -8, e-mail: virgil@salzburg.co.at

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