Vielgeprüftes Österreich

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Wir sind zu klein! Wir sind zu stark! Wir sind zu ehrlich! Warum uns die anderen des Dopings bezichtigen und wir trotzdem noch Glück haben.

Nur gut, dass es bloß unsere Langläufer sind, die das Internationale Olympische Komitee (IOC) des Dopings bezichtigt und seine österreichische Sektion ÖOC dafür bestraft. Die Nordischen gehören zwar auch irgendwie zu Ski-Österreich dazu, aber die eigentlich wichtigen waren und sind die Alpinen - die haben uns zur Skifahrernation gemacht, denen verdanken wir "unsere Medaillen"; von denen, die ihre Skibindung nur vorne zumachen, gelten vielleicht die Skispringer noch etwas - aber auch nur dann, wenn sie wie Adler fliegen und weder im Auslauf noch in der Diskothek in den Schnee greifen.

Stelle man sich vor, die Alpinen wären jetzt in der IOC-Mühle: ein Hermann Maier, ein Benni Raich, eine Marlies Schild … - die Kronen Zeitung würde den nationalen Schulterschluss ausrufen und der ORF hätte bis vor kurzem noch mitpropagandiert: Der Heldenplatz wär' wieder voll, wie damals 1972 bei Karl Schranz' Ausschluss von der Olympiade in Sapporo …

Und Gemeinsamkeiten in der damaligen und heutigen Argumentation gegen den IOC und für "unsere Sportler" lassen sich genügend finden: "Bei uns trauen sie sich so hart durchgreifen, weil wir ein kleines Land sind", lautet eine dieser entschuldigenden Erklärungen. Markus Gandler, der im Sperrfeuer der Kritik stehende Nordische ÖSV-Direktor, meint in diesem Sinn: "Wenn ich nach Freiburg schaue, fühle ich mich verarscht!" - und spielt damit auf die aktuellen Doping-Enthüllungen des deutschen Telekom-Radteams an, die seiner Meinung nach weniger streng als im österreichischen Fall geahndet werden. Ein anderes Erklärungs-beziehungsweise Entschuldigungsmuster von österreichischer Seite lautet: Wie damals der Schranz, ist der ÖSV einfach zu stark - und weil sie uns auf den Pisten, im sportlichen Wettbewerb nicht schlagen können, wird halt auf diese Weise versucht, uns zu diskreditieren und vom Stockerl zu stoßen. Ein Nestbeschmutzer könnte natürlich fordern: Wenn schon Doping, dann bitte so schlau, dass man nicht erwischt wird! Und dass österreichische Sportler bei der Winter-Olympiade in Turin gedopt haben, ist bewiesen - Arnold Riebenbauer, Vorsitzender der unabhängigen Disziplinar-Kommission des ÖSV: Von der Menge der gefundenen Materialien könnte man "in Uganda ein ganzes Spital ausstatten lassen". Oder Toni Innauer, ÖSV-Trainer und Skisprung-Legende: "Selbstverständlich war es Doping, da gibt es für mich keine Zweifel."

Schließlich geißeln "wir Österreicher" in diesem Skandal auch gerne die Scheinheiligkeit der anderen: "Alle machen's, aber bei uns sind's happig!" So wie schon beim Schranz: Weswegen ist der damals ausgeschlossen worden? Weil er bei einem Fußballspiel mit einer Kaffeewerbung auf seinem Leiberl gegen die Amateurbestimmungen verstoßen haben soll - lächerlich! Und letztlich hat der Schranz-Ausschluss dazu geführt, ist unter anderem Karl Schranz selbst mit gutem Grunde überzeugt, dass der IOC seine Regeln geändert hat, "dass die Sportler heute Geld verdienen dürfen".

Darauf, dass auch in diesem Fall am Ende das IOC seine Doping-Regeln überdenkt und verändert und Österreich damit vom Doping-Saulus zum Doping-Paulus weißgewaschen wird, darauf hoffen augenscheinlich immer noch die maßgeblichen Akteure im hiesigen Skiverband. Dass einer der Funktionäre die Verantwortung für diese rufschädigende Malaise übernimmt, für "eine Geschichte, wie sie nicht einmal Hollywood in Szene hätte setzen können" (©IOC-Chef Jacques Rogge), ist nicht mehr zu erwarten. Sollte einer schließlich doch zurücktreten müssen, dann wird er wohl als unschuldiger Sündenbock und als das vom "bösen IOC" verlangte Bauernopfer in die österreichische Sport-Geschichte eingehen.

Und an dieser Legende wird auch der österreichische Ski-Journalismus weiterweben; ansonsten müssten sich die Norweger-Pullover-Kollegen ja einmal selbst kräftig an der Nase nehmen und fragen: Warum hat die Hofberichterstattung aus Österreichs Olympia-Häusern dieser Welt Vorrang vor Recherche und kritischem Journalismus gehabt? Aber zu all dem wird es nie kommen; wir haben ja noch einmal Glück gehabt: Es waren doch nur die Langläufer!

wolfgang.machreich@furche.at

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