Vier Theaterstücke für ein ehrwürdiges Ambiente

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Dieter Holzinger bearbeitete klassische Vorlagen für Theaterprojekte im Stift Altenburg: "Von Narren, Träumern und anderen Genies"

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Dieter Holzinger bearbeitete klassische Vorlagen für Theaterprojekte im Stift Altenburg: "Von Narren, Träumern und anderen Genies"

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Barocke Pracht, gepaart mit der Vergegenwärtigung der Endlichkeit des menschlichen Seins: Daraus entsteht im Benediktinerstift Altenburg eine besondere Atmosphäre. Sie hat den Autor und Regisseur Dieter O. Holzinger vor zwölf Jahren nicht nur zur Gründung von Sommerspielen inspiriert, sondern seitdem auch sein künstlerisches Schaffen mitgeprägt.

Der Schüler von Jörg Mauthe fand seinen beruflichen Schwerpunkt zunächst beim ORF, wo er mehr als 300 Beiträge, unter anderem für die Serie "Das Österreichische Porträt", gestaltete. In den letzten Jahren wurden ihm, neben der Konzeption von Ausstellungen ("Klostergang" im Stift Göttweig, "Paul Troger - Der Maler des Himmels" im Stift Altenburg, "Augustinus" im Stift Dürnstein) eigene Theaterprojekte, unter anderem beim Carinthischen Sommer und vor allem in Altenburg, zu einem Anliegen.

Drei Stücke, die in der Bibliothek oder Krypta des Stiftes uraufgeführt wurden, liegen nun gemeinsam mit einem vierten als Buch vor. 1994 bis 1998 entstanden, erzählen sie vom Interesse des Künstlers für die zentralen Gestalten und großen Themen der europäischen Literatur. Spürbar wird aber noch anderes: Zum einen, gerade bei den Altenburger Stücken, geht es ihm darum, dem ehrwürdigen Ambiente mit einer eher auf statisches Spiel ausgerichteten Dramaturgie gerecht zu werden, sowie profundes Wissen und die zeitlos gültigen Aussagen der Stoffe zu transportieren.

Zuviel von beidem gerät manchmal zur Bürde für die dramatische Wirkung. Es scheint kein Zufall, daß gerade das am wenigsten befrachtete Stück das beste ist. Bei der Bearbeitung von Miguel de Cervantes' "Don Quijote" hat Holzinger die Romanvorlage zu einem in Seelentiefen weisenden "Abenteuer im Kopf" verdichtet. Man begegnet dem, was man anderswo gern öfter finden würde: echten Charakteren. Einer beinahe wissenschaftlichen Arbeit kommt dagegen das "Spiel der Zeitenwende", "Ewiger Golem", gleich. Die literarische Reise durch die Jahrhunderte entlang dem Mythos vom künstlichen Menschen führt vom alten Prag des Rabbi Löw über Gustav Meyrinks Roman "Der Golem", E.T.A. Hoffmanns bedrohliche Phantasiewelt und andere Assoziationen bis in eine von der Computertechnik inspirierte Zukunftsvision. Kunstvoll läßt der Autor Bühnenrealitäten versinken und erstehen, Phantasie und Wirklichkeit ineinanderfließen.

Bis hier folgt man seinen Gedankenflügen gern, während bei der dramatischen Neufassung von Sebastian Brants satirischem Werk "Das Narrenschiff" die Umständlichkeit der Verknüpfungen sehr bald ermüdet. Beim Versuch, spätes Mittelalter mit modernem Zeitgeist zu verschränken, hat Holzinger nicht nur die wichtigsten Sinnbilder - Schiff, Glücksrad, Fastnacht, Totentanz -, sondern auch eine ganze Reihe anderer Querverbindungen zum Original mit eingeflochten. Mitglieder eines Narrenordens proben Szenen zu Ehren des deutschen Dichters. Müßig zu erwähnen, daß die Möglichkeiten des Spiels im Spiel den Autor zu weiterem Puzzlespiel angeregt haben.

Eine Zusammenfassung der Altenburger Produktion mit der Musik Paul Angerers erschien auf CD (Preiser Records). Sie bietet eine durch Streichungen stringent gestraffte Narrenrevue und macht vorstellbar, wie das Stück auch den Weg auf andere Bühnen finden könnte.

Durch eine klare Dramaturgie zeichnet sich die in Wien uraufgeführte "Wertheriade" "Verdammter Goethe - Verehrter Herr Lessing" aus. Im unterhaltsamen Diskurs mit eingeschobenen Rückblicken wird noch einmal die Entstehungsgeschichte des "Werthers" aufgerollt. Goethe benützte bekanntlich den Selbstmord eines jungen Freundes von Lessing, Karl Wilhelm Jerusalem, als literarisches Motiv. Ein interessanter Stoff, zumal sich Lessing unmutig über diesen Zugriff geäußert hat.

Von Narren, Träumern und anderen Genies Vier Theaterstücke von Dieter O. Holzinger Löcker Verlag, Wien 1999 281 Seiten, geb., öS 298,-/e 21,65

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