Viren in der Bibliothek

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Der "Streit um die Wunder" ist schon fast vierzig Jahre alt, "Hinter Klostermauern" ließ man vor 15 Jahren blicken, ebenso alt ist "Das Ganzheitsbuch", etwas jünger "Geld statt Arbeit" - leider immer noch eine Utopie. Ich habe nämlich, angespornt von Neujahrsvorsätzen, meine Bibliothek zu ordnen begonnen.

Alljährlich erstaunt die Frankfurter Buchmesse mit der maßlosen Zahl von Neuerscheinungen, aber niemand macht sich die Mühe, die Dunkelziffer von nutzlosen Ratgebern, trivialen Sensationsberichten oder modischen Weltverbesserungen in Buchform nachzuzählen. Auch seriöse Pädagogen und Theologen sehen nach der hurtigen Präsentation neuester Erkenntnisse wenige Jahre später alt aus.

Erschreckend aber, wie solche Produkte dutzendweise in eine anständige Bibliothek eindringen können. Geschenkt, ungefragt zugesandt oder sogar in einem Zustand geschwächten Bewusstseins irrtümlich gekauft, missbrauchen solche Bücher meinen notorischen Respekt vor dem gedruckten Wort und nützen meine tief sitzende Abneigung vor Bücherverbrennungen aus, um zu überleben. Gegen Spams und Viren wird im Internet Krieg geführt; wer kämpft gegen die krankheitserregende Verschwendung von Papier und Druckerschwärze?

Jetzt stehen die großen Kartons entsorgten Schrifttums im Vorzimmer. Soll ich sie verbrennen? Ins Altpapier werfen? Meine Hemmungen - siehe oben - haben mich bisher daran gehindert. Soll ich sie dem nächsten Flohmarkt in der Pfarre schenken? Dann wäre zu befürchten, dass der Kreislauf von vorne beginnt: Um eine kleine Spende für den guten Zweck kauft jemand die "Anwendung des Mondkalenders" oder den "Leitfaden zur inneren Freiheit" mit dem verführerischen Titel "Nichts tun" und verseucht damit seine anständige Bibliothek. Manchmal, scheint es, muss das Unheil mit Putz und Stängel ausgerottet werden.

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