Völkerrecht und -unrecht

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Der österreichische Jude Albert Drach konnte zeitlebens den Verlust Südtirols an Italien nicht verschmerzen. Im Frieden von St. Germain war für das Selbstbestimmungsrecht der Völker kein Platz, belohnt wurde der Sieger. Zur eiligen Anerkennung der von den USA geförderten, einseitig erklärten Unabhängigkeit des Kosovo durch die EU und, in vorderster Linie, Österreich, ist von unseren Intellektuellen nichts zu hören. Sie haben ihren Unrecht ausforschenden Blick fest auf die Vergangenheit gerichtet, was heute auf dem Balkan geschieht, kümmert sie wenig. Einig sind sie nur darin, den einzigen, den es doch kümmert, als gefährlichen Narren abzutun: Weil Peter Handke die serbische Partei ergreift, ist sie schon diskreditiert.

Hierzulande muss man antiserbische Affekte nicht erst schüren. Hans Rauscher schreibt im Standard von einem "trotzigen, hypernationalistischen Serbien", das den Kosovo "auch auf Druck Österreichs hergeben muss". Wäre es vorstellbar, ähnlich über Spanien zu reden, das das Baskenland nicht "hergeben" will? "Wir", so Rauscher, seien "diesmal sozusagen auf der richtigen Seite" und machten "eine richtige Politik, nämlich Serbien, nach Europa' zu holen". Seltsam, es scheint eher, als würde Serbien, wo man gerade für "Europa" votiert hat, zur Belohnung vor den Kopf gestoßen. Hat nicht die EU als parteiische Vermittlerin die Kosovo-Albaner durch das voreilige Versprechen der Unabhängigkeit verhandlungsunwillig gemacht? Vielleicht um so dem NATO-Krieg gegen Jugoslawien im nachhinein Sinn zu verleihen? So verbrecherisch Miloševi´c' Repressionspolitik war: Warum soll das Serbien von heute dafür büßen? Hätte man als Ziel eine Autonomie nach dem Vorbild Südtirols formuliert, wäre man dem fait accomplis entkommen. Aber diesmal saßen die Sieger auf der Seite der Abtrünnigen.

Die Autorin ist Germanistin und Literaturkritikerin in Wien.

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