Voggenhubers Verfassungs-Ungeduld

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Der Grüne Johannes Voggenhuber hat mit dem Liberalen Andrew Duff die "road map" für die EU-Verfassung gezeichnet - noch folgen ihr nicht alle.

Das größere der beiden Gebäude des Europäischen Parlaments in Brüssel ist nach Altiero Spinelli benannt - nach jenem italienischen Europa-Politiker Spinelli, der in den 1980er-Jahren einen ersten Verfassungsentwurf für die Europäische Union entworfen hat; nach jenem Spinelli, den der österreichische Grüne und eu-Parlamentarier Johannes Voggenhuber nennt, um die Bedeutung seines Berichts zur eu-Verfassung europahistorisch weniger versierten Journalisten plausibel zu machen.

Er und der britische Liberale Andrew Duff, sagt Voggenhuber, "ohne eitel sein zu wollen", seien nach Spinelli die ersten Vertreter von kleinen Parteien gewesen, die einen derartig großen und wichtigen Bericht zur Ausarbeitung bekommen haben.

Voggenhubers Stolz sei ihm gegönnt, wird er ohnehin postwendend von anderen Kollegen in Frage gestellt: Laut övp-Europaabgeordneten Reinhard Rack hat das eu-Parlament den Voggenhuber/Duff-Bericht "wieder ins richtige Verhältnis gebracht" und die "zu weit gehenden Forderungen alle rausgestrichen". Rack wundert sich, dass Voggenhuber immer noch seinen Namen über diesem Bericht stehen lässt, der "in die dieser Form ja überhaupt nicht mehr der seine ist". - "Unsinn", entgegnet der Angegriffene und redet dann auch noch kurz von "Neid" und "Eitelkeiten", hält sich aber nicht lange mit "Haxlbeißereien" auf. Voggenhuber redet lieber von "historischen Aufgaben", fängt seine Ausführungen im 17. Jahrhundert an und hört damit in der Gegenwart nicht auf.

"Ich sehe viele Regierungschefs, aber keine Europäer", lässt Voggenhuber keinen Zweifel daran, wen er als die Hauptverantwortlichen für die eu-Malaise ausmacht: Die Staats-und Regierungschefs, die Europa "nebenberuflich regieren", die sich nach "Reichsfürstenmanier" aufführen, die Europa "in ihren Klauen gefangen halten", die Europa "ins nationalistische 19. Jahrhundert führen" und die "Kassandra" Voggenhuber nicht ernst nehmen, wenn er warnt, dass auf das 19. Jahrhundert "das 20. Jahrhundert mit seinen Verwüstungen und Kriegen folgt".

"Durch die Gasse des Zorns"

Doch der Grüne ist überzeugt, dass sich die Bürgerinnen und Bürger dieses Spiel nicht mehr lange gefallen lassen. Warum? "Weil der Krempel nicht funktioniert", sagt Voggenhuber und: "Diese Fürsten können mit ihren alten Rezepten die Bürger nicht mehr überzeugen, so kommen sie nicht mehr aus der Gasse des Zorns raus - in der jede Initiative, jeder Gesetzesvorschlag durch Volkes Zorn zerstückelt wird."

Die eu-Verfassung war eines der Opfer dieser "Gasse des Zorns", und deswegen ist es für Voggenhuber undenkbar, mit dem gleichen Text ein zweites Mal zur Abstimmung zu gehen. Die zwei zentralen Punkte des Voggenhuber/Duff-Berichts waren aus diesem Grund: die Möglichkeit, den bestehenden Verfassungstext aufzuschnüren und zu verändern und diesen neuen Text 2009 einer europaweiten Volksabstimmung zu unterziehen - doch diese beiden entscheidenden Punkte, "für die wir auf die Barrikaden gestiegen sind", wurden vom eu-Parlament abgelehnt.

Zu kurze Trauerarbeit

Es war einfach noch zu früh, erklärt spö-Europaabgeordneter Hannes Swoboda die Ablehnung durch das Parlament; mit einem halben Jahr mehr Zeit für die "Trauerarbeit", ist Swoboda überzeugt, "wäre der Bericht effizienter geworden" - "aber wir kennen sie ja, die Voggenhuber'sche Ungeduld".

Zu schnell, zu früh? - dazu sagt Voggenhuber nicht sofort Nein, trotzdem: "Wir haben nicht viel Zeit" und außerdem: Wenn die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel jetzt ein Zusatzprotokoll zur europäischen Verfassung vorschlägt und von einer Volksbefragung statt einer Abstimmung die Rede ist, dann wittert "Voggi" Morgenluft für seinen Verfassungsfahrplan - und vielleicht wird ja wirklich einmal ein eu-Gebäude nach ihm benannt.

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