Volksanwaltschaft is watching you

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Jedes Staatsorgan braucht Kontrolle. In der Justiz passiert diese bereits durch ein aufwendiges Rechtsmittelverfahren.

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Jedes Staatsorgan braucht Kontrolle. In der Justiz passiert diese bereits durch ein aufwendiges Rechtsmittelverfahren.

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In der österreichischen Bundesverfassung ist festgelegt, daß die Justiz von der Verwaltung in allen Instanzen getrennt ist. Das Verfassungsprinzip der Gewaltentrennung dient nicht der Privilegierung der Justiz, sondern dem Schutz des Bürgers vor politischer Einflußnahme auf gerichtliche Entscheidungen.

Wenn nun von einem parteipolitisch besetzten Gremium, wie es die Volksanwaltschaft darstellt, die Forderung erhoben wird, eine nachprüfende Kontrolle gerichtlicher Entscheidungen durch außerhalb des Instanzenzuges stehende Einrichtungen zu installieren, so kann darin nur persönliches Profilierungsbestreben oder die Schaffung einer politischen Einflußmöglichkeit auf die unabhängige Justiz oder beides gesehen werden.

Während die sozialdemokratische Volksanwältin Christa Krammer und der freiheitliche Volksanwalt Horst Schender eine derartige nachprüfende Kontrolle gerichtlicher Entscheidungen ablehnen, wird diese von der ÖVP-Volksanwältin Ingrid Korosec vehement eingefordert. Korosec verweist auf insbesondere im Bereich des Familienrechtes an die Volksanwaltschaft herangetragene Beschwerden und auf die der Generalprokuratur beim Obersten Gerichtshof zustehende Befugnis zur Einbringung einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes in Strafsachen.

Gerade im Bereich des Familienrechtes darf nicht verwundern, wenn Menschen, deren Familie zerbricht und die durch den Prozeßverlust in ihrem wichtigsten Lebensbereich betroffen sind, mit allen Mitteln versuchen, Abhilfe zu schaffen. Das Einbringen einer Beschwerde läßt aber keinesfalls den Schluß auf ihre Berechtigung zu. Die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes im Strafverfahren wiederum ist mit dem geforderten Recht der Volksanwaltschaft, beim Obersten Gerichtshof (OGH) eine neuerliche Entscheidung in einer Zivilrechtssache zu verlangen, nicht vergleichbar. Die Generalprokuratur ist ein Organ der Rechtspflege, das nicht parteipolitisch besetzt wird. Im Strafverfahren stehen sich nicht zwei (oder mehrere) Bürger gleichberechtigt gegenüber, von denen einem durch eine rechtskräftige Entscheidung bereits ein Recht eingeräumt wurde, sondern der Staat mit seinem Strafverfolgungsanspruch und ein betroffener Bürger.

In Zivilangelegenheiten, wie im Familien- oder Schadenersatzrecht, würde die Aufhebung einer rechtskräftigen Entscheidung aufgrund einer Intervention durch Außenstehende eine massive Störung der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens mit sich bringen und in die bereits eingeräumten Rechte einer Prozeßpartei eingreifen.

Unstrittig ist, daß sich jedes Staatsorgan, auch die Rechtsprechung, Kontrolle gefallen lassen muß. Diese Kontrolle erfolgt in der Justiz durch ein aufwendiges zwei - oder dreiinstanzliches Rechtsmittelverfahren und über den internen und innerstaatlichen Bereich hinaus durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Zudem ist die Rechtsprechung die einzige Einrichtung, die durch den Grundsatz der Öffentlichkeit und Mündlichkeit des Verfahrens einer sehr weitreichenden Kontrolle durch die qualifizierte Öffentlichkeit und damit der Bevölkerung unterliegt. Der Volksanwaltschaft steht darüber hinaus bereits ein umfassendes Prüfungsgericht für den gesamten Bereich der Justizverwaltung zu.

Im Zuge der laufenden Regierungsgespräche werden immer wieder Beteuerungen abgegeben, wonach parteipolitische Einflußnahme im Staat zurückgedrängt werden soll; diesen Versprechungen zum Trotz wird nunmehr offensichtlich versucht, die Justiz, die sich gegenüber politischer Einflußnahme als in hohem Maße resistent erwiesen hat, unter Vorschiebung von Bürgerinteressen zu vereinnahmen. Der Widerstand der Justiz gegen diese Bestrebungen ist gesichert.

Der Autor ist Richter des Landesgerichtes Innsbruck und Vorsitzender der Bundessektion Richter und Staatsanwälte in der Gewerkschaft öffentlicher Dienst.

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