Sechs von zehn Oberösterreichern sprechen sich gegen den Bau eines neuen Musiktheaters aus, und immerhin die Hälfte der Wahlberechtigten hat ein Votum abgegeben. Und die andere Hälfte besteht wohl auch nicht aus Opern- und Theaterfans. Das ist zu respektieren, aber auch zu hinterfragen.
Politiker werden gewählt, um - stellvertretend für die Bürger - Entscheidungen zu treffen. Regierende, mit Mehrheiten ausgestattete Parteien sind beauftragt, die Bedürfnisse der von ihnen Vertretenen angemessen zu befriedigen. Was man nicht erwarten kann, ist, dass Politik alle Wünsche erfüllt - ebensowenig wie sie imstande ist, Verteilungsprobleme immer friktionsfrei zu handhaben. Was die einen bekommen, können nicht gleichzeitig die anderen kriegen: Prioritäten müssen gesetzt und argumentiert werden, und das geht in der Regel nicht ohne Auseinandersetzungen ab - mit der Opposition und mit kritischen Bürgern.
Wenn in der Diskussion dann kein Konsens zu erzielen ist, gibt es eine Reihe demokratischer Instrumente, um korrigierend einzugreifen. Volksbegehren, Volksbefragung und Volksabstimmung werden in den letzten Jahren allerdings zunehmend als staatlich (mit)finanzierte PR-Aktionen zur Erhöhung der Medienpräsenz eingesetzt, oder auch einfach nur, um "Stimmung" zu machen, Zielgruppen zu mobilisieren und Eliten auf Gefolgschaft abzutesten. Und fallweise geht es auch darum, Verantwortung abzuschieben und das Konfliktfeld mitten in die Bürger zu verlagern, statt Probleme in Gremien zu lösen.
Mittlerweile sind auch Regierungsparteien nicht davor gefeit, dieses Spiel zu spielen, bei dem weit weniger tatsächliche Bürgerpartizipation gemeint ist, als politischen Kontrahenten die "Rute ins Fenster zu stellen. So war wohl die diskutierte No-Na-Frage nach der Ablehnung der EU-Sanktionen zu verstehen; jedenfalls darf man sich nun aber nicht über den Burgenland-Quiz im Hinblick auf die EU-Osterweiterung wundern, mit dem gefährliche Emotionen geschürt werden könnten. Ebenso fatal ist die jüngste SPÖ-Idee, die Budgetbegleitgesetze, das heißt, das Sparpaket, einem Plebiszit zu unterziehen.
Die Volksbefragung um ein neues Linzer Musiktheater hat deutlich gezeigt, dass es gelingen kann, einer "zu was brauch ma des"-Mentalität zum Durchbruch zu verhelfen.
Und man darf gespannt sein, ob nun in Zukunft über Sportanlagen, Universitäten und Spezialkrankenanstalten ebenso abgestimmt und abgefragt wird - die nützt auch nicht jeder. Regierungen, Parlamente und politische Parteien sind dann allerdings auch verzichtbar.
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