Volksentscheid über Kunst?

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Die endlose Debatte über das Grazer Kunsthaus: Profilierungssüchtige Politiker, Künstler und Naturschützer (!) liefern absurdes Kabarett.

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Die endlose Debatte über das Grazer Kunsthaus: Profilierungssüchtige Politiker, Künstler und Naturschützer (!) liefern absurdes Kabarett.

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Graz braucht eines, Graz will eines haben, aber was die Stadt schließlich bekommen wird, und ob überhaupt und wann, weiß man noch nicht so genau. Die Rede ist von einem Bauwerk, das man der Einfachheit halber "Kunsthaus" nennen kann. Die Vorgeschichte ist lang und entbehrt nicht einer Prise absurder Komik.

Vor vielen Jahren war "Trigon" ein Schwerpunkt des Steirischen Herbstes. Das war eine Gemeinschaftsausstellung moderner bildender Kunst aus den Ländern Österreich, Italien und (damals noch) Jugoslawien. Nun wollte man einige der überaus qualitätsvollen Objekte in Graz behalten und beschloß, ein Museum für moderne Kunst zu bauen, das in der Stadt fehlte (und bis heute noch fehlt). Unter dem damaligen ÖVP-Landeshauptmann Josef Krainer wurden Pläne eingeholt, und schließlich entschied man sich für einen Neubau im sogenannten "Pfauengarten", einem Anhängsel des Burggartens, der als Parkplatz benützt wurde und immer noch wird.

Die Pläne gediehen bis zur Baubewilligung, aber noch ehe man beginnen konnte, brachten die Wahlen in der Steiermark einen Umsturz. Krainer verlor sein Mandat, Peter Schachner-Blazizek (SPÖ) wurde Landeshauptmannstellvertreter und Kulturlandesrat. Er dachte nicht daran, die Pläne seines Vorgängers aus der anderen politischen Richtung zu realisieren. Das Kunsthaus wurde auf Eis gelegt. Aber das Eis begann zu schmelzen, denn allzu hitzig begannen die Debatten. Gebaut muß werden, aber was und wo? Die Trigon-Idee war mittlerweile sanft entschlafen, also entschied man sich für ein Museum der zeitgenössischen Kunst. Das mußte natürlich neu projektiert werden, doch dazu mußte auch ein neuer Standort gefunden werden.

Nun wurden die Debatten erst so richtig angeheizt. Kulturstadtrat Helmut Strobl tritt bis heute für den schon beschlossenen Standort "Pfauengarten" ein, eine Splittergruppe aus Grünen und Liberalen wünscht sich einen Bau am rechten Murufer neben dem sogenannten "Eisernen Haus", einem hochinteressanten Bau aus dem 19. Jahrhundert, der gegenwärtig völlig verwahrlost dasteht. Neben diesem Haus klafft eine Baulücke, entstanden durch den Abbruch eines (denkmalgeschützten) Hauses.

Aber Graz hat eine Besonderheit, den Schloßberg. Hier nun entfacht sich die Debatte zum Brand: Ein Kunsthaus im Schloßberg lockt die Avantgarde. Dazu müßte ein Teil dieses Berges ausgehöhlt werden, eine Verbindung zur Neuen Galerie in der Sackstraße ließe sich leicht herstellen. Aber nun protestieren die Naturschützer. Der Schloßberg steht nämlich unter Naturschutz, der für einen Teil des geschützten Gebietes aufgehoben werden müßte. Nun wagt es keine Partei, die um die nächsten Wahlen zittern muß, die doch recht große Gruppe der Naturliebhaber zu vergrämen. Was ist also zu tun?

Die Lösung lautet: "Eine Volksabstimmung". Im kommenden Oktober sollen die Grazer (Warum eigentlich nicht alle Steirer? Graz ist schließlich die Hauptstadt eines Bundeslandes.) befragt werden, ob sie ein Kunsthaus im Schloßberg haben wollen oder nicht. Andere mögliche Standorte werden nicht abgefragt.

Wenn man das Ergebnis vergangener Abstimmungen über Kulturprojekte kennt, kann man sich leicht ausrechnen, wie das Ergebnis lauten wird. Avantgarde-Projekte haben noch nie die Zustimmung der breiten Masse gefunden. Aber das Problem hat auch eine bitterernste, finanzielle Seite: Für verschiedene Studien und Entwürfe wurden bisher rund dreißig Millionen Schilling ausgegeben. Doch nicht nur deshalb steht die Stadt unter Zugzwang. Im Jahr 2000 gestaltet sie die Steirische Landesausstellung unter dem Titel "Kunst, Wissenschaft, Kommunikation". Für eine Unterbringung in einem neuen Kunsthaus ist es schon zu spät, also behilft man sich mit Schloß Eggenberg und dem schon bestehenden Stollen im Schloßberg, einem Überbleibsel aus den Luftschutzanlagen im Zweiten Weltkrieg. Bald danach, nämlich 2003, ist Graz europäische Kulturhauptstadt, und bis dahin ist ein neues Kunsthaus eine Notwendigkeit. Auch die vielen "Mega-Events", welche derzeit ein Kennzeichen steirischer Kulturpolitik bilden, könnten eine solche Behausung brauchen.

Apropos "Mega-Events": Da war die Schiele-Ausstellung, der heuer eine Impressionisten-Schau folgen wird. Da gibt es ein kostenloses Jazz-Festival auf dem Minoriten-Platz, im Landhaushof werden, ebenfalls kostenlos, Opernfilme gezeigt. Zur Landesausstellung YOUgend werden angejahrte Popstars geholt.

Das freut die Steirer, sofern sie nicht der kleinen Minderheit steirischer Kulturschaffender angehören. Die tun sich nämlich schwer, denn wenn Millionen in diese Großveranstaltungen gepumpt werden, bleibt für die Kleinen nicht viel übrig. Übrigens, gar so klein ist etwa die Landesbibliothek auch wieder nicht, doch deren finanzielle Situation ist alles eher als rosig. Finster ist es auch für die heimischen Jazzer, die der Konkurrenz eines kostenlosen Art Farmer und anderer Stars nicht gewachsen sind.

Eine Gruppe von Kulturschaffenden wurde aber in diesem Sommer großzügig gefördert: Die Kleintheater wurden subventioniert, so daß sie während sieben Wochen bei reduzierten Eintrittspreisen auf Plätzen und in Höfen der Altstadt spielen konnten.

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