Vom Aufklaren der Nebel

Werbung
Werbung
Werbung

Frankls Lehre wurzelt in Erfahrung.

Überrascht dichter Nebel den Kletterer in der Wand, droht er einer lebensgefährlichen Müdigkeit zu erliegen. Mit diesem Bild hat Viktor Frankl, selbst begeisterter Alpinist bis ins hohe Alter, das Hereinbrechen des Sinnlosigkeitsgefühls beschrieben. Ohne Ziel vor Augen erlahmt der Mensch gerade in schwierigen Situationen. Erst das Aufreißen des Nebels gibt die Sicht auf die Schutzhütte in der Ferne wieder frei. Indem etwas Bergendes, (Ge)Wichtiges, Sinnvolles ins Blickfeld tritt, zeichnet sich ein Weg ab, der den Abgrund der Verzweiflung hinter sich lässt. Orientierung ist wieder möglich und der Bergsteiger schöpft neue Kraft aus der Hoffnung, glücklich sein Ziel zu erreichen.

Die Unvorstellbarkeit einer Lebenssituation, die wirklich sinnlos wäre, prägte Frankls Denken und Wirken. Beglaubigt war dieser Anspruch durch seine reiche und tragische Lebenserfahrung, die ihn an die Grenzen der menschlichen Existenz und Belastbarkeit geführt hatte. In dieser, seiner Geschichte begegnete ihm die Herausforderung der existenziellen Sinnfrage. Frankls "Lehre gegen die Sinn-Leere" wurzelt ebenso fest in der philosophischen Tradition, wie sie durch persönliche Erfahrungen in den kzs von Auschwitz, Dachau und Türkheim geformt wurde.

In der existenziellen Suche nach Sinn zeigt sich der Antwortcharakter menschlichen Daseins. Indem es den einzigartigen Sinn seines Seins aufgreift, trägt es seiner konkreten Situation Rechnung und eröffnet zugleich eine über das eigene Leben hinausreichende Perspektive. Gleich einem Augenarzt vermag der Logotherapeut für den suchenden Menschen "dessen Horizont, dessen Gesichtsfeld für Sinn und Werte" zu erweitern.

Der Autor arbeitet am Inst. für Philosophie der Kath.-Theol. Fak. Graz und ist Logotherapeut.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung