Vom Bildungstempel zur Wellness-Oase

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27 Museen auf vier Kontinenten: Das Lentos Kunstmuseum zeigt die Architekturen des laufenden Jahrzehnts.

Im Jahr 997 war die baskische Stadt Bilbao plötzlich in aller Munde. Aber nicht wegen politischer Unruhen oder gesellschaftlicher Veränderungen. Aufsehen erregte schlichtweg die Eröffnung eines spektakulären Museumsbaus. Frank O. Gehrys expressiv-dekonstruktivistische Architektur des Guggenheim Museums in Bilbao verhalf nicht nur der Stadt, sondern der ganzen Region zu einem ökonomischen Aufschwung - ein Phänomen, das heute "Bilbao-Effekt" genannt wird. Gehrys skulpturaler Bau verdeutlichte auch, dass es bei Museumsbauten längst nicht mehr nur um die architektonische Hülle für die Präsentation einer Sammlung geht. Die innovative Architektur eines Museums gibt heute oft mehr Anlass für den Besuch einer Stadt als die darin untergebrachte Sammlung.

Der "Bilbao-Effekt"

Das Guggenheim Museum in Bilbao stellte den bisherigen Höhepunkt einer Tendenz dar, die 1977 begann, als das populäre Centre Georges Pompidou von Renzo Piano und Richard Rogers fertig gestellt wurde. Der maschinenartige Bau mit seinem technisch-futuristischen Aussehen verkörperte ein neues Bild von Museen und deren Benutzung. Bald haben die Stadtbewohner das Centre Pompidou und seinen Vorplatz zu einem städtischen Freizeit-Zentrum erklärt. Die Entwicklung vom "Bildungstempel" hin zur "Wellness-Oase" verstärkte sich seit den 1990er Jahren durch Museumsshops und Cafés, wie auch am Wiener Museumsquartier zu sehen ist, das mehr wegen seines Erholungs-und Unterhaltungswertes als der Sammlungen wegen geliebt wird.

Museen - oft spricht man von den "Kathedralen von heute" - gehören zu den spannendsten Architekturaufgaben, da sich sowohl Form wie Funktion eines Gebäudes mit dem sich ständig veränderten Kunstbegriff auseinander setzen müssen. Auf der einen Seite gilt es, entsprechende Räume für die bestmögliche Präsentation von Kunst zu schaffen, auf der anderen Seite dem Bau ein unverkennbares Gesicht im städtischen oder ländlichen Umfeld zu geben.

Wie unterschiedlich Architekten mit dieser spannenden Aufgabe im 21. Jahrhunderts umgehen, zeigt eine vom Art Centre Basel organisierte Schau anhand von 27 Museumsbauten aus Europa, Amerika, Asien und Australien. Im Zentrum stehen zwischen 2000 und 2010 bereits gebaute, geplante oder im Bau befindliche Museumsprojekte - meist sind es Kunstmuseen, es finden sich aber auch archäologische, historische oder Auto-Museen darunter.

Neue Museen 2000-2010

Die internationale Wanderausstellung macht derzeit im Linzer Lentos als einzige österreichische Station Österreichs halt. An sich ist die Präsentation von Architekturmodellen, Fotos und Plänen meist ziemlich langweilig. Im Lentos steuert man dieser Gefahr mit einer pfiffigen Ausstellungsarchitektur gegen. Anstatt in Vitrinen stehen die Modelle quasi am Boden - eingehüllt in aufgeblasene durchsichtige Kunststoffpolster. Fotos und Pläne sind an von der Decke abgehängten Eternitplatten befestigt. Durch die weichen "Kunststoffblasen" bekommen die unterschiedlichen Modelle einen einheitlichen Charakter, was dem Raumerlebnis gut tut. Erfrischend, dass die Gestalter hier offensichtlich ironisch mit dem Verhältnis von Innen und Außen, von Kunst und Architektur gespielt haben, indem sie die Modelle "umhüllten"- eine Aufgabe, die beim Museumsbau eigentlich der Architektur zukommt.

Die einzelnen Projekte kommen erst bei näherer Betrachtung zur Geltung. Wobei besonders die heterogenen Zugänge zu ein und demselben Thema faszinieren. Den expressiv-skulpturalen Bauten wie dem Friendly Alien genannten Kunsthaus Graz der Londoner Architekten Pieter Cook und Colin Fournier stehen "klassische" Museumsbauten wie die Neue Pinakothek der Moderne von Stephan Braunfels gegenüber. Beim Rundgang findet man die zurückhaltend stille und introvertierte Museumsarchitektur von Tadao Ando (Chichu Kunstmuseum auf der Insel Naoshima) genauso wie die zackig-extrovertierte Formensprache von Coop Himmelb(l)au (Musée des Confluences in Lyon).

Mangelnde Vermittlung

Einziger Wermutstropfen dieser ästhetisch so ansprechenden Schau ist die mangelnde Vermittlung in Form von Schrifttafeln oder projizierten Begleittexten. Wenn man sich nicht ohnehin bereits mit dem Thema befasst hat, wird man durch den Rundgang nicht wirklich schlauer. Offensichtlich versteht sich die Ausstellung als sinnlicher Seh-Impuls, um sich anschließend eingehender mit Museumsbauten zu befassen. Der hervorragende Katalog bietet dazu genauso Möglichkeit wie ein umfassendes Rahmenprogramm in Form von Vorträgen, Podiumsdiskussion und Führungen.

MUSEEN IM 21. JAHRHUNDERT Ideen - Projekte - Bauten

Lentos Kunstmuseum Linz

Ernst-Koref-Promenade 1, 4020 Linz

www.lentos.at

Noch bis 18. 2. Mo-So 10-18 Uhr,

Do 10-22Uhr.

Katalog hrsg. von Suzanne Greub und Thierry Greub, Prestel Verlag, München u. a. 2006, 215 Seiten, € 28,-

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