Vom Dialog der Gegner

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Die geopolitische Religionslage darf man nicht den kalten Religionskriegern überlassen. Das Wiener "King Abdullah Bin Abdulaziz International Centre for Interreligious and Intercultural Dialogue“ soll und muss genau hier ansetzen.

Das Problematischste ist der Name. Nicht aus inhaltlichen Gründen. Aber "King Abdullah Bin Abdulaziz International Centre for Interreligious and Intercultural Dialogue“ ist, gelinge gesagt, eine ebenso sperrige Wortmarke wie deren Abkürzung KAICIID. Aber das ist eine Frage der PR, nicht von Inhalt und Intention.

Letzten Montag wurde das Dialogzentrum in Wien also mit großem Bahnhof eröffnet: der UN-Generalsekretär, drei Außenminister, der vatikanische Dialog-"Minister“ und zwei weitere Kardinäle, der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, die Chefs globaler islamischer Dachorganisationen, der Präsident der Europäischen Rabbinerkonferenz: Allein diese Aufzählung macht deutlich, dass es sich hier mitnichten um einen religiösen Außenposten handelt. Sondern das Ganze ist unter dem Motto "Think Big“ angelegt und auch strukturell so verfasst, dass nicht eine einzige Religion bzw. religiöse Strömung das Sagen hat.

Neue internationale Organisation in Wien

Der Vorstand setzt sich aus ausgewiesenen Experten der Religionen zusammen, als letzte Kontrollinstanz fungieren Vertreter der Gründungsstaaten Österreich, Spanien und Saudi-Arabien, die de facto jeweils ein einstimmges Votum abgeben müssen.

Wien beherbergt also eine neue, auch finanziell bestausgestattete internationale Institution. Es mutet befremdlich an, dass die veröffentlichte Meinung diese Bedeutung des neuen Dialogzentrums erst langsam angemessen zu reflektieren beginnt. Bislang verstellte die österreichische Mentalität, die Gefahren und Widrigkeiten, die Haare in der Suppe übermäßig auszubreiten, den Blick auf die Chancen, die ein institutioneller Religionsdialog bieten kann, soll und muss. "Es hagelt Proteste“, konstatierte der Moderator der ZIB 24 zur Eröffnung des Zentrums: Mit Verlaub, eine verzerrte Wahrnehmung - weniger als eine Handvoll Demonstranten hatte sich auf dem Heldenplatz gegen die Eröffnung in Stellung gebracht.

Dabei gab es in der Hofburg auf der symbolischen Ebene genug Anhaltspunkte, dass man es ehrlich meint: Das Einmahnen von Religionsfreiheit (Vatikan-Vertreter Tauran) gehörte ebenso dazu wie die berührende Geste, als der schwer kranke saudische Außenminister dem Europäischen Rabbinerpräsidenten demonstrativ die Hand entgegenstreckte. Wie gerade ein solches Bild bei nahöstlichen Hardlinern ankommt, kann sich der gelernte Weltbürger ausmalen.

Spätestens seit 9/11 ist klar, dass es ohne die Einbindung der Religionen kaum zu einer befriedeten Weltgesellschaft kommen kann. Und zwar nicht nur, weil über auch religiöse Wurzeln der globalen Konflikte zu reden ist. Sondern - das wurde bei der Wiener Eröffnung gleichfalls thematisiert - alle großen Religionen eint der Anspruch, den Frieden der Menschheit aus religiösem Impetus und dem jeweiligen Verständnis göttlichen Wirkens zum Ziel zu haben.

Friede, das Ziel gerade der Religionen

Genau darüber ist zu reden, hier soll und muss das neue Zentrum auf der Ebene der Begegnung der Religionen und der religiösen Menschen ansetzen. Man soll es daran messen und den kritischen Blick darauf richten, ob es diesem - auch selbstformulierten Anspruch - gerecht wird.

Die Agenda zwischen den Religionen bzw. zwischen Religion und Gesellschaft ist groß. Fragen übers Leben von Muslimen in säkularen Welten müssen dabei ebenso aufs Tapet wie die Religionsfreiheit in islamischen Staaten.

Dialog und Begegnung sind die einzigen realistischen Möglichkeiten, hier weiterzukommen. Niemand wird ernstlich meinen, man könne etwa die Forderung nach Kirchen in Saudi-Arabien mit Bomben lösen. Dialog führt man nicht mit Freunden, sondern mit Gegnern. In einer Zeitung, in der der Denker Friedrich Heer einst das "Gespräch der Feinde“ propagiert hat, muss man das nicht extra betonen.

Die geopolitische Religionslage darf man nicht den kalten Religionskriegern überlassen. Es ist höchste Zeit, den Dialog, so schwer er sein mag, anzugehen. Diesen und keinen anderen Anspruch muss man dem Wiener Dialogzentrum vorgeben.

otto.friedrich@furche.at

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