Vom Ende einer Kindheit

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"Harry Potter und die Heiligtümer des Todes, Teil 2“ - die Verfilmung des letzten Bandes des Fantasy-Bildungsromans kommt. Potterianer kennen das Ende ja schon längst.

"Ehemalige Sozialempfängerin ist reichste Frau Englands“ - die Schlagzeile ging schon 1998 um die Welt und meinte den sagenhaften Erfolg von Joanne K. Rowling, Autorin der "Harry Potter“-Reihe, Schöpferin eines Fantasy-Universums und Kreatorin der weltweit berühmtesten Medienfigur, nach Mickey Mouse. Die ehemalige Lehrerin Rowling lebte zwar "nur“ sechs Monate von Sozialhilfe, aber der Tellerwäschermythos ist das romantische I-Tüpfelchen ihrer Karriere, die 1997 mit der Veröffentlichung des ersten Bandes der "Harry Potter“-Saga begann. Zehn Jahre, sieben Bände und eine Gesamtauflage von 400 Millionen Exemplaren später, endeten die Abenteuer im letzten Buch "Harry Potter und die Heiligtümer des Todes“ im Jahr 2007.

Das Ende ist längst bekannt

Doch weil es das Kino gibt, kommen die Fans jetzt noch einmal in den Genuss des furiosen Finales, das gar als gewinnbringender Zweiteiler verfilmt wurde. Auch in "Harry Potter und die Heiligtümer des Todes, Teil 2“ gilt es, die sieben Horcruxe zu finden - magische Artefakte, in denen der böse Lord Voldemort (Ralph Fiennes) Teile seiner Seele versteckt hat. Nur bei Vervollständigung dieses Puzzles kann er ausgelöscht werden. Seine Schergen haben bereits die Macht über ganz England an sich gerissen, Harry (Daniel Radcliffe) und seine treuen Freunde sind auf der Flucht, die Lage scheint aussichtslos, und auch die Zauberschule Hogwarts hat als Zufluchtsort längst ausgedient.

Natürlich wissen die Fans bereits, wie die Sache ausgeht, aber dennoch wird die letzte Verfilmung mit Hysterie erwartet - sie markiert ja das Ende einer Ära. Denn der schmächtige, bebrillte Zauberlehrling, der zum selbstbewussten Helden erwuchs, war der Begleiter einer ganzen Generation. Seit der ersten filmischen Adaption 2001 trägt er das Gesicht von Schauspieler Daniel Radcliffe, und der ist nur ein Faktor im Medienhype, nur eine Figur in jener Kultgemeinde auf Zeit, die sich im Zusammenhalt der Romanfiguren wiedergefunden hat und eine weltweite "Pottermania“ auslöste.

Therapie für Verhaltensauffällige

Diese griff gar in die pädagogische Psychologie über Weil sich viele Kinder über das Alterego Harry Potter besser ausdrücken konnten, schuf man in einigen Ländern "Harry Potter“-Klassen für verhaltensauffällige Schüler, die durch Harry verstanden, dass sie nicht die einzigen seien, die ihre Eltern verloren haben, die misshandelt werden oder die Angst und Einsamkeit erlebt haben.

Nicht nur als Seelentröster, auch als Satansjünger wurde Harry Potter wahrgenommen - von christlichen Fundamentalisten, die hier teuflische Magie erkannten und Harry gar als Religionsersatz in den Kinderzimmern einer entzauberten Moderne fürchteten. Rowling sah sich aber nie als Magierin der Wörter: "Alles stammt aus Sagen oder Legenden, die ich einst gelesen und dann zu einem eigenen Universum zusammengerührt habe“, beschrieb sie die Entstehung der Saga, die sie mit fantasievoller Detailverliebtheit anreicherte.

Die Herausforderung der filmischen Adaption war immer, eine Geschichte zu erzählen, die funktioniert, auch wenn man grundsätzlich nicht weiß, was Quidditch, Squibs oder Muggels sind, und man weder mit Dementoren noch mit Denkarien vertraut ist.

Düster, brutal, nicht kindgerecht wurden vor allem die Verfilmungen ab dem fünften Band kritisiert, für die Regisseur David Yates verantwortlich zeichnet, und das gilt auch für den letzten Teil der Reihe. Tod, Mord und Intrigen sind längst Hauptbestandteil der Adaptionen, ebenso wie Action-geladene Spezialeffekte.

Hinein in Ideologiefragen

Das Potter-Universum abzubilden, hätte über Fantasy-Tricktechnik hinausgehen können, hinein in Ideologiefragen, die Rowling in ihrer längst zum Bildungsroman gewachsenen Saga in Anspielung auf die europäische Geschichte thematisiert hat - und die eine wesentliche (wenn auch großteils unbewusst rezipierte) Grundlage für den Erfolg der Buchreihe sind.

Yates brachte mit "Der Orden des Phönix“ 2007 zum ersten Mal die Züchtungs- und Rassenfantasien sowie die Vernichtungspropaganda einer Diktatur auf die Leinwand, die in der Struktur von Voldemorts Herrschertum Ausdruck findet: Seine dunklen Armeen und uniformierten Gefolgs-Schüler, welche die "inferioren Muggels“ (Nicht-Zauberer) verabscheuen, sind auf Vernichtungs-Mission. In diesem letzten Teil endet der Kampf Gut gegen Böse in der notwendigen Katharsis: Kinder sind die Helden dieses Universums längst keine mehr - aber sie stehen auf der richtigen Seite.

Ein Coming-of-Age, das sie gemeinsam mit ihrem treuen Zielpublikum vollzogen haben, in zwölf Jahren, die wohl nur mit der letzten Seite, der letzten Szene - und der Pubertät enden können.

Harry Potter und die Heiligtümer des Todes, Teil 2 (Harry Potter and the deathly Hallows, Part 2)

GB/USA,2011 Regie: David Yates. Mit Daniel Radcliffe, Emma Watson. Warner.

152 Min. Ab 14.7.

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