Vom Glauben in allen Höhen und Tiefen

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Mit der selten auf dem Programm stehenden Oper "Il mondo della luna" von Joseph Haydn am Landestheater und dem für die Bühne adaptierte Roman "Hiob" von Joseph Roth am Schauspielhaus feierten in Salzburg gleich zwei Stücke eine erfolgreiche Premiere.

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Mit der selten auf dem Programm stehenden Oper "Il mondo della luna" von Joseph Haydn am Landestheater und dem für die Bühne adaptierte Roman "Hiob" von Joseph Roth am Schauspielhaus feierten in Salzburg gleich zwei Stücke eine erfolgreiche Premiere.

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Im Jahr 1777 gab es noch keinen Hinweis, dass man in absehbarer Zeit zum Mond würde fliegen können. Joseph Haydns hat aber eine lustige vorwegnehmende Oper daraus gemacht mit den Goldoni-Zutaten der Commedia dell' arte, "Il mondo della luna", die nun am Landestheater in Salzburg zu sehen ist. Das Schauspielhaus eröffnet die Saison mit der Bühnenfassung des 1930 erschienenen Romans "Hiob" von Joseph Roth eine Variation der alttestamentarischen Leidensfigur.

Sichtliche Freude am Spiel

Joseph Haydn schrieb seine Oper von der "Welt auf dem Mond" zu einer hochfürstlichen Hochzeitsfeier, dreimal soll sie danach noch aufgeführt worden sein. Der Komponist selbst hat etliches umgeschrieben, für andere Sängerinnen und Sänger eingerichtet - es ist einigermaßen verworren. Wie dem auch sei - Carlo Goldoni lieferte mit seinem dramma giocoso "Il mondo della luna"(erstmals vertont 1750 von Baldassare Galuppi), den überwiegenden Teil des Textes für Haydns Oper, die nun im Salzburger Landestheater in einer neuen Dialogfassung von Teilmann von Blomberg zu hören ist. Gesungen wird Italienisch, gesprochen Deutsch. Das heißt: keine Rezitative, sondern gesprochene Dialoge. Vorweg: "Il mondo della luna" kam vor allem beim Publikum gut an. Die Geschichte ist gegenüber älteren Darstellungen in Opernführern von Andreas Gergen als Studentenulk inszeniert, Bonafede kommt hier in der äußeren Aufmachung als Oberstudienrat daher, die verliebten Töchter Clarice und Flaminia sind sich mit ihren Verehrern Ecclitico und Ernesto einig, nur: wie den Vater herumkriegen, dass er Ja sagt? Er wird zu einer Mondpartie eingeladen - das Übrige auf dem Mond (Bühne: Stephan Prattes, Kostüme: Regina Schill) ist Klamauk, gekonnt, teilweise lustig, gefällig, und eher an "Peterchens Mondfahrt" für Kinder erinnernd denn an Haydns Oper. Wäre da nicht die Musik, die das Mozarteumorchester unter der Musikdirektorin des Landestheaters, Mirga Grazinyte- Tyla, frisch, eingängig und souverän spielte. Dazu kommt ein Ensemble, an dem nichts auszusetzen ist: Sergio Foresti ist ein stimmgewaltiger Bonafede, die Töchter Laura Nicorescu (Clarice) und die noch studierende Tamara Ivanis (Flaminia) sowie Rowan Hellier (Haushälterin Lisetta) singen nicht nur makellos in allen Höhen und Tiefen, sondern haben auch sichtlich Freude am Spiel. Die Burschen, die das ganze Stück "auf dem Mond" inszenieren, Ecclitico und Ernesto, Maximilian Krummen und Simon Schnorr, haben alle Hände voll zu tun, die fröhliche Gaunerei am Laufen zu halten, überwacht vom "Mondkönig" Cecco, Franz Supper.

Mondfahrt ist etwas Schönes, die Mondlandung hatten wir schon, also mit Raumschiff Enterprise zurück in die Zukunft. Das Publikum dankte lang anhaltend, nicht zuletzt David Pereira Nieto, der fünf Jahre lang spanischer Akrobatikmeister war, für die phänomenalen artistischen Einlagen.

"Wo ist die Sünde?"

Viel Freude hatte Joseph Roth mit seinem "Hiob" nicht, einen Roman,den er kaum gelten ließ: "Er ist mir zu virtuos in seinem Geigenton: Paganini; das Leid ist zu schmackhaft und weich." 1930 erschien der Roman, zum ersten Mal ein durchschlagender Erfolg für den Autor, der, selbst mürbe vom Leid durch die geistige Umnachtung seiner Frau, für die er sich verantwortlich fühlt, an die Schwiegereltern schreibt: "Der liebe Gott straft uns, wer weiß, wofür ... ich bin ganz ohnmächtig gegen dieses Schicksal." Fast wörtlich sagt dies Mendel Singer, der fromme Lehrer und die Hauptfigur in Roman und Stück im Schauspielhaus: "Wofür bin ich so gestraft. Ich suche nach einer Sünde, aber ich kann keine schwere finden. Wo ist die Sünde?"

Roth schildert die Leiden einer ärmlichen ostjüdischen Familie mit einem schwerst behinderten Sohn, mit dem Problem des den gläubigen Juden verbotenen Militärdienstes. Der mittlere seiner Söhne desertiert nach Amerika, der Älteste rückt ein, die Tochter wird in Amerika, wohin die Familie dem Sohn gefolgt ist, wahnsinnig. Der jüngste behinderte Sohn wird zurückgelassen. Der geprügelte Mendel Singer entsagt schließlich seiner streng orthodoxen Frömmigkeit, wird locker in seiner Lebensführung, und eines Tages tritt ein junger, alerter Mann, ein erfolgreicher Dirigent, auf: sein jüngster Sohn Menuchim hat Karriere gemacht.

Die erste Premiere am Schauspielhaus Salzburg in dieser Spielzeit mit dem "Hiob" in der Fassung von Koen Tachelet hat in Georg Reiter einen glaubhaft gläubigen und dann gottlosen Mendel Singer gefunden, mit dem glänzenden Moritz Grabbe als Menuchim eine erschreckend behinderte Gestalt und dann, "auferstanden", einen eleganten Dirigenten und mit Daniela Enzi als Deborah eine umsichtige Ehefrau Mendels.

Regisseur Rudolf Frey hat all die Ecken und Fallstricke des Textes zu einem Ganzen gefügt, so dass man gar nicht fragen muss, ob man dramatisierte Romane besser nicht aufführen soll.

Hiob

Schauspielhaus Salzburg

26., 30. Sept., 2., 4., 6., Okt.

Il mondo della luna

Landestheater Salzburg

29. Sept., 7., 13., 29., Okt.

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