Geschlechterverhältnisse
Im muslimischen Volksglauben bestimmt das Gebot des Gehorsams den Eltern gegenüber das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern. Die herrschenden patriarchalischen, aber auch diktatorischen, Strukturen in den meisten islamischen Ländern unterstützen zusätzlich eine auf Restriktionen basierte Erziehung.
Die Familien bleiben von diesem äußeren Druck nicht verschont, meist herrscht ein Klima der ungewissen Zukunft, weil in den meisten dieser Länder soziale Strukturen, die Armut auffangen können, durchweg fehlen. Daher steigt auch der Druck auf die Kinder, in der Schule sehr gute Noten zu bekommen, um später zu sicheren Jobs zu gelangen. Die Beziehung wird, und ich spreche hier aus eigener Erfahrung, vor allem durch den schulischen Erfolg bestimmt. Der soziale Druck durch konkurrierende Familien macht die Sache noch schlimmer.
Aus Erfahrung mit meinem zwölfjährigen Sohn, aber auch aus meinem Verständnis des Islam weiß ich: Das Wichtigste, was Eltern ausmacht, ist ihre bedingungslose Liebe. Sicher geht es um Erziehung zum mündigen Menschen, dies muss jedoch aus Liebe und nicht aus Gründen des Gehorsams und der Kontrolle geschehen. Kinder brauchen und erwarten von ihren Eltern nichts mehr, als die Sicherheit, dass jemand da ist, der sie bedingungslos liebt, egal, in welchem Tief sie sich gerade befinden. Als ein Mann zum Propheten Mohammed stolz sagte: "Ich habe meine Kinder nie geküsst“, meinte dieser: "Wer nicht selbst barmherzig ist, kann keine Barmherzigkeit erwarten.“ Wir brauchen Religionen, um uns an das Gebot der bedingungslosen Liebe zu erinnern, denn Liebe ist ein religiöses Recht der Kinder. Erfolgreich Vater oder Mutter zu sein, ist unter anderem, den Kindern Arme der Liebe ausgestreckt zu halten, auch wenn sie einem den Rücken zukehren.
* Der Autor ist Prof. f. Islam. Religionspädagogik an der Uni Münster |
