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Wenn es ihn denn gibt: Wie kann Gott es zulassen, dass wir leiden müssen? Es ist die Schicksalsfrage für Gläubige - und zugleich der "Fels des Atheismus". Himmelschreiend verdichtet erfahren wir davon beim "Letzten Abendmahl": Da bricht Jesus, "Sohn Gottes", das Brot mit Judas, ja er nimmt seinen Kuss entgegen -und weiß doch, dass er von ihm verraten werden wird? - Ist Widersinnigeres überhaupt denkbar? Und: Was ist die Botschaft - und wo die Gerechtigkeit? Im Rückblick ist es gar eine doppelte Passion: Die des Nazareners und später, in der Schoa, die des jüdischen Volkes.

Wie kommt dieses Thema hierher? Seit Jahren beginnen die Salzburger Festspiele mit der "Ouverture Spirituelle" und den "Disputationes" - brisanten Diskussionen über Kunst und Religion. So auch heuer. Und Jahr für Jahr wird klarer: Hier, nicht im Aufmarsch der Stars und Roben, liegt der tiefe Sinn dieses Festes, das Max Reinhardt, Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauß vor exakt 100 Jahren nach dem Drama des Ersten Weltkriegs als "Fest der Läuterung" konzipiert hatten.

Um "Passion" ging es heuer in Musik, Gedanken und Gesprächen -in all ihren Deutungen zwischen Leiden und Leidenschaft. Und fasziniert verfolgte ein dichtgedrängtes Auditorium einmal mehr die Spurensuche hinein in die großen "letzten Fragen".

Einmal mehr aber auch medial krass unterschätzt: Aus falscher Angst vor möglicher Gleichgültigkeit der Konsumenten? Aus professioneller Inkompetenz? Oder aus der Überforderung, auf engstem redaktionellen Raum sinnvoll darüber berichten zu können?

Wo bleibt "seine" gerechtigkeit?

Ein Höhepunkt war heuer für mich der Versuch zweier großer Theologen (Susanne Heine und Karl-Josef Kuschel), das Schweigen Gottes über menschliches Leid zu deuten: Nimmt er sich zurück und übt seine Allmacht nicht aus, der menschlichen Freiheit zuliebe? Geht ihn der Mensch, einmal geschaffen, in dieser Welt nichts mehr an? Oder ist er für uns einfach so unfassbar, so sehr Geheimnis, dass jeder Erklärungsversuch scheitern muss -auch dort, wo es um "seine" Gerechtigkeit geht?

Und: Was erlaubt es uns, den einst "strafenden Gott" mehr und mehr zum "gütigen Vater" umzudeuten? Und: Gilt all seine Gerechtigkeit vielleicht erst im Jenseits?

"Als Gott die Welt schuf, legte er zuerst das Fragezeichen in unser Herz", heißt es bei den Juden.

So blieb auch als Fazit dieser "Disputationes" an uns: Das Geheimnis der Unverfügbarkeit Gottes aushalten; uns kein Bild von ihm machen -und uns nie auf einmal gefundenen Antworten ausruhen!

Aber auch: Seine Wegweiser nicht übersehen: Die "Bergpredigt" etwa - oder: "Was ihr den Geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan"(Mt 25) usw.

Kurzum: Es waren wichtige Botschaften für alle, die mit Gottes Unbegreiflichkeit leben können. Aber Schreckensnachrichten für Fundamentalisten.

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