Vom Selbstmord einer Stadt

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Vor mehr als vier Jahrzehnten attestierten die Herren Qualtinger und Heller in "Wean draht si nur langsom ham" ihrer Heimatstadt, sie habe ihren Stolz in die Pfandleihanstalt getragen, wäre eine Puffmadame und bringe sich langsam um.

Das Tempo hat sich zweifellos beschleunigt, die Rolle der käuflichen Puffmutter hat die Politik übernommen, dem Selbstmord sieht eine zwar ein wenig aufgebrachte, jedoch ohnmächtige Bevölkerung zu. Die Zerstörung einer Stadt, die vom Fremdenverkehr lebt, schreitet fort. Das von Kaiserhaus und Großbürgertum geprägte Stadtbild stößt nur bedingt auf das liebevolle Verständnis der Rot-Grünen Stadtregierung. Ihr fehlt allzu oft das nötige Feingefühl, zeitgemäße Bauprojekte mit der historischen Bausubstanz geschickt abzustimmen oder zu kontrastieren. Unzählige Altstadthäuser werden durch Dachaufbauten entstellt - oft bloße Geschäftemacherei. Das neue weltstädtische Wien wächst in den Himmel, den sich kaum einer leisten kann. Alles soll verbaut, ausgebaut und zu schnellem Geld gemacht werden. Das Versicherungsgebäude neben der Karlskirche soll trotz zahlreicher Proteste um zwei Stockwerke höher werden.

Bei der Neugestaltung des Eislaufvereins geht es vor allem um Luxuswohnungen in Wolkennähe. Dort kann man dann für viel Geld auf jene hinunterschauen, die sich das nicht leisten können. Das Hochhaus wird jetzt zwar niedriger geplant, die Aberkennung des Status Weltkulturerbe droht der Stadt dennoch. Im Staatsvertrag ist festgelegt, " [...] unersetzliches Gut zu erhalten und an kommende Generationen weiterzugeben." Nichts für Politiker, die sich ihre eigene Welt geschaffen haben. Der Vertragsbruch bringt für sie einzigartige Möglichkeiten. Ein Hochhaus nach dem andern könnte in der Wiener Innenstadt gebaut werden. Wohlweislich wird niemand gefragt, ob ihn das stören würde.

Der Autor ist Kulturmoderator beim Privatsender ATV

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