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Tennessee Williams' Stück "Endstation Sehnsucht" aus dem Jahre 1947 gehört zu den Klassikern des amerikanischen psychologischen Realismus. Es erzählt die Geschichte einer in die Jahre gekommenen und gefallenen Südstaaten-Schönheit, Blanche DuBois, die, als sie zuerst den Mann, dann das Vermögen und schließlich die Ehre verliert, bei ihrer ungleichen Schwester und deren Mann Stanley in New Orleans Unterschlupf sucht. 70 Jahre nach der deutschsprachigen Erstaufführung in Zürich ist das Stück nun am Wiener Volkstheater zu sehen.

In der Enge des Arbeiter-Haushalts trifft Blanche DuBois auf eine Welt, in der die Rollen klar verteilt sind, und die so ganz anders ist als ihre. Stanley geht mit seinen Kumpels zum Bowling oder schmeißt Pokerrunden, während Stella brav zu Hause bleibt. Zwischen der gebildeten, erotisch selbstbewussten, nervlich aber etwas angegriffene Blanche und dem prügelnden, proletarischen Macho-Mann Stanley Kowalski kommt es naturgemäß schnell zu Konflikten. Sie begegnet ihrem Schwager mit herablassender Missbilligung und demütigendem Standesdünkel, während er ihr mit Misstrauen, Verachtung und schließlich mit Gewalt begegnet.

Berühmt geworden ist das Stück vor allem durch die ikonisch gewordene Verfilmung von 1951 durch Elia Kazan. Wer erinnerte sich nicht, an das Bild des muskulösen Marlon Brando im verschwitzten T-Shirt als Stanley Kowalski, ein zum Stereotyp gewordenes Bild proletarischer Virilität, oder an Vivian Leigh als Blanche DuBois und deren melancholisch umflorten Gesichtsausdruck, der gefallenen Schönheit aus besserem Hause?

Weit und knallbunt

Die Inszenierung, die die junge deutschtürkische Regisseurin Pinar Karabulut nun für das Wiener Volkstheater besorgt hat, scheint vor allem gegen diese Images aus Kazans Verfilmung angehen zu wollen. So vermittelt schon die Bühne von Aleksandra Pavlović so gar nichts von grauer, kleinbürgerlich-proletarischer Enge. Im Gegenteil, die Bühne ist weit und knallbunt. In der Mitte führt eine mächtige, mit künstlichen Blumen gesäumte Treppe nach oben. Mit Luster, Stuck sowie kitschigen Tapeten im Pastell-Ton erinnert die Bühne an die Eingangshalle einer Südstaatenvilla aus "Vom Winde verweht". Die Farbgebung erstreckt sich auch auf die Kleidung und Haarfarbe der Figuren, so wirkt das ganze Geschehen der Wirklichkeit enthoben - wie wenn es das innere Bild eines psychisch zerrütteten Geistes wäre.

Tatsächlich bedient sich Karabulut eines Tricks, der vor allem durch den expressionistischen Film berühmt geworden ist. Sie motiviert den bühnenbildnerischen Exzess erzähltechnisch, indem sie das Stück aus der Perspektive von Blanche erzählt. Um diese Erzählperspektive zu verstärken, werden Regieanweisungen zu Sprechtext, manche Szenen werden nicht gespielt, sondern nur schnell aufgesagt, Textpassagen werden wiederholt und immer häufiger fallen Text und Bühnenhandlung auseinander. Ab und an gibt es Traumsequenzen, wobei sich Karabulut einer Art Viragetechnik bedient, die ebenfalls aus dem Stummfilm bekannt ist. Dabei erscheint das ganze Geschehen in eine Farbe getaucht. Damit pendelt das Bühnengeschehen immer zwischen tatsächlichem, realem Geschehen und Erinnerungsbildern oder Angstzuständen der Hauptfigur hin und her.

Das Ringen zweier Welten

So keck das Regie-Konzept der konsequenten Perspektivierung auch ist, es vermag den Abend nicht zu tragen. Denn auf der Strecke bleiben dabei die Figuren, für deren psychologisch differenzierte Zeichnung sich die Regisseurin nicht annähernd so zu interessieren durchrang, wie für ihr Konzept. Allein Steffi Krautz als Blanche tut, was sie kann. Toll, wie sie changiert zwischen Opfer und Täterin! Sie verführt eine unschuldige Seele, nur um zu sehen, was noch geht und schwingt gekonnt die Hüften, wie auch den Baseballschläger. Aber ihr fehlt der Widerpart. Denn vor allem die Zeichnung der Männer misslingt: Mit Ganzhaarperücken, Stöckelschuhen und bunten Flatterhemden werden sie zu Karikaturen zeitgenössischer Metrosexualität. Die gefährliche, animalische Sinnlichkeit, die Jan Thümer seinem Stanley zu geben versucht, wirkt so aber papieren. Sie ist Behauptung, denn zu sehr fallen Bild und Text hier ungewollt auseinander. Letztlich schwächt Blanches Flucht in den Traum das, worum Williams Stück mit Ausdauer kreist: Das Ringen zweier gegensätzlicher Welten, das Unverständnis und die Verachtung füreinander.

Endstation Sehnsucht Volkstheater Wien 4., 15., 26., 30. April, 5., 15. Mai

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