Vom Wittern der Morgenluft

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Manche Menschen lieben es, das, was sie sagen, mit Zitaten zu würzen. Mag es der Bekräftigung dienen, dem Bildungsnachweis, möge es beeindrucken oder Freude machen - es macht Sprache lebendig, es bereichert. Und es ist ein harmloses Vergnügen. Viele der meistverwendeten Zitate sind von Goethe. "Faust“. Oder aus der "Glocke“. Von Schiller. Also beinahe Goethe. Wenn es weder noch, dann Shakespeare. Shakespeare passt immer. Die ganze Welt ist eine Bühne. (Shakespeare!) Wir spielen immer, wer es weiß, ist klug. (Shakespeare? Schnitzler!)

Anders ist das freilich im politischen oder im großen wirtschaftlichen Oratorenzusammenhang. Da ist es eine nur geringe Freude zu erleben, was Ghostwriter und andere Ohrenbläser den jeweiligen Herren und Damen aufs Papier setzen. Da ist kein Zitat davor gefeit, in seinen Gegensinn verwandelt oder, um seinen eigentlichen Zusammenhang beraubt, sinnentleert und zur bloßen Worthülse verwandelt zu werden.

Heiliger Bimbam, Schutzpatron der Falsoglotten

Die Falschzitierer, die Falsoglotten also, haben vitale Verbündete. Das sind Journalisten, Lehrer, Schreibende. Nicht alle. Aber so manche. Vom Wortbreischüsselchen führt ein besonderer Pfad ins Sinnleere: der Scheideweg. Die Medien der letzten Tage sahen auf dem Scheideweg: Europa, Griechenland, Werner Faymann, Angela Merkel, Heidi Klum, die Libyen-Intervention, die arabische Revolution. Sicher nur eine kleine Auswahl. Aber es reicht für ein ziemliches Gedränge. Ebenso wie wenn es "nur zwei Alternativen gibt“. Also vier Möglichkeiten.

Der härteste Härtetest ist aber und bleibt das "Wittern der Morgenluft“. Jeder Politiker, jeder Sportler, jeder Firmenboss, der eine Chance auf Verbesserung sieht - ob Umfrage, Rangliste, Umsatz - wittert Morgenluft. Reflexhaft. Als ein rhetorischer Lemming. Als wäre das von Shakespeare ("Hamlet“, der Geist des Vaters) positiv gemeint gewesen - und nicht als Alarmsignal, schleunigst zu verschwinden. Wie es sich für einen Geist geziemt. Die Morgenluft als Gefahr. So wie das Morgenrot für den Vampir …

Also. Auf die Allgemeinplätze, fertig, los. Und der heilige Bimbam sei mit Ihnen.

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