Vom Zauber des Schönen

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Das Kulturwissenschaftliche Symposium „Philosophicum Lech“ erlebt heuer seine 13. Auflage. Facettenreiche Vorträge und Diskussionen rund um die Verzauberung durch das Schöne, aber auch von Angst und Zerstörung, stehen auf dem Programm.

Einen wunderschönen guten Morgen! Ein schönes Wochenende, einen schönen Sonntag! Aus dem alltäglichen Sprachgebrauch ist das Schöne als Begriff kaum wegzudenken, im positiven wie auch im negativen Sinn. Doch was ist das, schön? Das heuer im September stattfindende Philosophicum Lech wird sich mit dieser Frage fünf Tage lang intensiv in Vorträgen und Diskussionen auseinandersetzen. In dem kleinen Vorarlberger Bergdorf (und Nobelskiort) Lech wurde letztes Jahr noch über das Thema „Geld. Was die Welt im Innersten zusammenhält?“ heiß diskutiert (siehe FURCHE 40/2. Okt. 2008). Aktueller konnte die Debatte damals wohl nicht sein, holte doch gerade die Finanz- und Wirtschaftskrise in dieser Zeit zu ihrem weltweiten Rundumschlag aus. Heuer, nachdem die Krise langsam aber doch ihr wahres Gesicht gezeigt hat und erste Auswirkungen ganze Konzerne lahm gelegt und Tausende Arbeitsplätze zerstört hat, setzt das Philosophicum auf das Thema „Vom Zauber des Schönen. Reiz, Begehren und Zerstörung“. Vom Geld zur Schönheit? Ein aktueller, interessanter oder bloß zufälliger Spagat?

Eine Krise der Ästhetik?

„Im Vergleich zum Vorjahr kann heuer nicht behauptet werden, es gäbe aktuell eine Krise der Ästhetik“, meint der wissenschaftliche Leiter des Philosophicums Konrad Paul Liessmann. Die Themenwahl begründet er vielmehr durch die permanente Aktualität des Schönen in der Wissenschaft sowie dessen ständige Präsenz im Alltag. „Das Schöne hat im philosophischen und kulturwissenschaftlichen Diskurs eine lange Tradition.“ Warum das Thema aber gerade im Jahr 2009 behandelt werden soll: „Es ist erstens gegenwärtig eine Renaissance des Schönen in der Kunst selbst – obwohl es innerhalb der Moderne eigentlich kein bzw. kaum Thema war – zu bemerken und zweitens spielt das Schöne auch im Alltag eine große Rolle, im Beruf, im Freundeskreis, in der Freizeit etc.“, so Liessmann. Das Schöne hat viele Gesichter: Es ist reizvoll, anregend, verführend, liebenswert, aber ebenso auch verhängnisvoll und zerstörend. Dementsprechend komplex ist auch der philosophisch-wissenschaftliche Diskurs über die Ästhetik und das Schöne an sich. Die lange Tradition der Auseinandersetzung mit dem Schönen beginnt bereits in der Antike und ist bis in die Gegenwart, durch alle Epochen der Geschichte hindurch, stets Thema geblieben. Nicht bloß in der Kunst, sondern auch in den Naturwissenschaften, der Technik, in der Sprache, der Sexualität, in den Medien, in Werbung und Film sowie auch letztendlich insbesondere in der so bezeichneten Schönheitsindustrie.

Verführung und Verzauberung

Diese Vielfältigkeit des Themas spiegelt sich auch im Programm des diesjährigen Philosophicums wider. Damit, so Liessmann, wird das Symposium der ursprünglichen Konzeption auch heuer wieder gerecht. „Es ist der Charakter dieser Tagung, ein Thema aus allen möglichen Blickwinkeln heraus zu betrachten und zu bearbeiten. Die Programmierung der Tagung ist auf diese Vielfalt hin ausgelegt. Das Schöne ist eben nicht auf einige wenige Elemente zu reduzieren, sondern durchflutet die meisten Bereiche des Lebens des Menschen.“ Doch nicht nur die angenehme, bezaubernde Seite des Schönen soll zum Thema werden, sondern ebenso die zerstörende, die im negativen Sinn verstandene „verzaubernde Seite“ des Schönen soll dargestellt werden. „Es wird keine Verherrlichung der Schönheit stattfinden. Der ambivalente Charakter des Schönen wird ebenso zum Ausdruck kommen“, so Liessmann. Dass Schönheit bzw. das Schöne an sich ein abstrakter und insbesondere emotional belegter Begriff ist, wird vor allem im Alltag deutlich. Die (relativ junge) Disziplin der Attraktivitätsforschung beschäftigt sich primär mit der Optik des menschlichen Körpers und unternimmt den Versuch, Schönheitsideale zu untersuchen und untereinander zu vergleichen. Sei es das 90-60-90 bei Frauen oder der aus der Werbung bekannte Waschbrettbauch der Männer. Diese und ähnliche vorgegebene Schönheitsideale haben psychologische und soziale Folgen, die auch das Philosophicum diskutieren will. „Das Schöne hat offensichtlich auch gefährliche Seiten, z. B. in Bezug auf den viel zitierten Schönheitswahn, der nicht zuletzt durch den Boom der Thematisierung im Fernsehen und durch die Werbungen der Schönheitsindustrie ein großes Thema in der Gesellschaft geworden ist“, meint Liessmann. Nicht nur dass attraktiv geltenden Menschen in weitaus höherem Maße primär positive Eigenschaften wie Gesundheit, Intelligenz oder andere positiv besetzte Charaktereigenschaften zugeschrieben werden als weniger attraktiven, erzeugen genormte und vorgezeigte „Ideale“ vor allem sozialen Druck, insbesondere auf Jugendliche.

Darwin und das Schöne

Im Jahr 2009 führen nur sehr wenige Wege vorbei an Charles Darwin. So nimmt das Philosophicum das Thema der Darwin’schen Ästhetik auf, und wird sich in einem der geplanten Vorträge mit den evolutionspsychologischen Grundlagen der Schönheit auseinandersetzen. Der enorme Wandel der Schönheitsideale im Laufe der Geschichte ist ein gutes Beispiel dafür, dass jede Zeit ihre selbst definierten Ideale in Bezug auf die Schönheit entwickelt und forciert. Galt in der Renaissance eine üppige Figur (auch ein rundliches Gesicht) als Zeichen von Wohlstand, Kraft und auch von sexueller Attraktivität, begründen diese Körperformen heute für viele Menschen eher den Gang zum Chirurgen. Das Schöne, eine weitere Facette der enormen Bandbreite der Themen, wird auch oft dazu verwendet, nicht so schönes zu kaschieren, zu verbergen oder unterschwellig Botschaften zu vermitteln. Ein weiterer Aspekt der Diskussionen in Lech wird deshalb auch die Bildende Kunst im Dritten Reich sein.

Schönheit des Denkens

Die Gemeinde Lech am Arlberg – im Jahr 2004 übrigens zum schönsten Dorf im Rahmen der Entente Florale ernannt – wirbt auf ihrer eigenen Internetseite damit, sich in weniger als einem halben Jahrhundert von einem bergbäuerlichen Gemeinwesen zu einem Tourismuszentrum von internationalem Rang gewandelt, ohne jedoch den dörflichen Charakter dabei gänzlich verloren zu haben. Diese Selbstbeschreibung wird im Rahmen des Philosophicums wohl auf dem Prüfstand stehen, wenn es bei einem der Vorträge heißt: „Vom Arkadien im Herzen Europas – zur Sport-, Event-, und Funregion. Die schönen Alpen zwischen Bewunderung und Langeweile.“ Für Konrad Paul Liessmann jedenfalls gehört das Philosophicum in Lech am Arlberg zum „Schönsten, was es überhaupt geben kann.“

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