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Molières „Don Juan“ in der Übersetzung von DDR-Dichter Heiner Müller und Benno Besson am Wiener Volkstheater: Dem Schweizer Regisseur Stephan Müller gelang es mit seiner Produktion aus vielen Puzzleteilen den Don-Juan-Mythos in einen neuen Kontext zu situieren.

Der Schweizer Regisseur Stephan Müller hat Molières „Don Juan“ in der Übersetzung von DDR-Dichter Heiner Müller und Benno Besson herangezogen und daraus eine Fassung für das Volkstheater eingerichtet, die zusätzlich Texte von Friedrich Nietzsche, Friedrich Hölderlin, Heiner Müller und Lorenzo da Ponte montiert.

Müllers Version präsentiert sich also als schillerndes Mosaik, auch wenn kein wirklich neues Bild entsteht. Müller hat vielmehr eine elegante, hoch manierierte Idee des Mythos Don Juan vorgelegt, die sich stark am Philosophen Peter Sloterdijk orientiert. Den Titel von Sloterdijks neuestem Buch „Du musst dein Leben ändern“ nimmt Müller zum Motto für seine kopflastige Inszenierung. Don Juan ist für ihn nichts als ein Mythos, der immer weiter Theater spielt, selbst wenn er schon längst tot ist.

Die Hölle von Müllers „Don Juan“ ist dem System seiner Persönlichkeitsstruktur immanent. Don Juan bleibt ein Getriebener, Erlösung ist für ihn nicht vorgesehen.

Die deutsche Szenografin Hyun Chu hat dafür eine Bühne gestaltet, die an fernöstliche Wurzeln erinnert. Im glitzernd blauen Raum des Don Juan ist freilich nicht alles Gold, was glänzt: Seine Worte und Versprechungen gelten zwar im Augenblick der Empfindung, doch keinen Moment darüber hinaus. Eine lebensgroße Vase steht in der Mitte der leeren Bühne; Don Juans Diener Sganarelle (Raphael von Bargen) erklärt sie – in Kopulations- und Zärtlichkeitsgesten – zur Metapher des weiblichen Körpers. Birgit Hutter hat in ihren Kostümen die Tradition des Don Juan als spanischen Verführungskünstler angedeutet – zu Beginn erscheint er jedoch nur mit nacktem Oberkörper im blauen Hausmantel, sein Körper ist eindeutig die Waffe, mit der er seine grausamen erotischen Jagdzüge durchführt. So etwa die Verführung des putzigen Fischermädchens Charlotte (Nanette Waidmann), das gerade noch auf Reifen über die kahle Bühne mit ihrem tollpatschigen Pierrot (Claudius von Stolzmann) gerutscht ist und mit diesem über das Wesen der Liebe plaudert. Don Juans verführerischen Versprechungen, sie zur „Madame“ zu machen, will sie nicht widerstehen. Da ist nicht nur die Kraft des Eros, da sind auch soziale Faktoren, die Müller mitinszeniert: Auch für den Fischer Pierrot könnte Charlottes sozialer Aufstieg wirtschaftliche Stabilität bedeuten. Aber die Ehe ist freilich schon einer anderen – Mathurine (Claudia Sabitzer) – versprochen und Sganarelle muss wie immer seinen Herrn aus der Patsche helfen.

Ein aalglatter Don Juan

Müllers Bilder sind schön und kalkulierend kalt. Manieriert bewegen sich die verschmähte Donna Elvira (zürnend: Heike Kretschmer) und ihre Brüder im Gestus spanischen Adelsstolzes, hochartifiziell gestalten sich die Szenen mit der Mezzosopranistin Leandra Overmann, die teils singend als Don Juans Mutter zur Besserung anhält bzw. als Komtur erscheint. Sie singt ihn ins Grab, ein Feuerwall fährt aus der Unterbühne – die Idee des ewigen Fegefeuers blitzt auf – und Don Juan leitet kichernd, verrückt geworden und den Zuschauerraum auf der anderen Seite suchend, das Ende dieser Inszenierung ein, die auf hohem Niveau zu keinem Ganzen findet.

Da ist einerseits Raphael von Bargen, der viel zu perfektionistisch die komische Figur Sganarelle hüpft, gestikuliert und scheitern lässt. Er wirkt in seinem artistischen Überdruck allzu angestrengt. Denis Petkovic ist ein aalglatter Don Juan in strenger Choreografie zwischen Slow Motion und großer Oper. Diesen artistischen Rhythmus durchbricht Wolfgang Mitterers Musik, die in aller Dramatik stets einen ironischen Zug behält.

Aus vielen Puzzleteilen hat Müller den Don-Juan-Mythos in einen neuen Kontext situiert, und damit liefert das Volkstheater in der neuen Saison ihre erste interessante Produktion.

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