Früher stand er nicht einmal auf dem Theaterzettel. Der Regisseur war ein Spielleiter, dem man wenig Beachtung schenkte. Gustav Mahler aber war Direktor, Dirigent und Regisseur in einer Person und verwirklichte das, wonach sich große Komponisten immer gesehnt hatten: die Oper als einzigartiges Gesamtkunstwerk, in dem Gesang, Spiel und Ausstattung zu einer Einheit verschmelzen. Er suchte nach neuen und keineswegs sofort vom Publikum akzeptierten Lösungen und trug Verantwortung dafür. Die Anfeindungen waren beträchtlich. Leider ist Mahlers Vielseitigkeit die Ausnahme geblieben. Heute werken Regisseure oft einsam, nicht immer eins mit den Sängern. Der Dirigent stößt viel zu spät zum Team.
Nirgendwo in der Oper kann leichter geblufft werden als beim Job des Regisseurs. Ein Sänger muss singen und spielen können, ein Orchestermusiker muss sein Instrument beherrschen, ein Dirigent seine Partitur, wie aber ist es mit dem Regisseur? Er kann sich sogar brüsten, von der Partitur keine Ahnung zu haben, nach seinem genialen Instinkt zu arbeiten. Effekthascherei, vordergründige Provokation und kleine Skandälchen mit Buhkonzert reichen oft, um den Marktwert zu steigern. Sensationshungrige Medien, Mangel an neuen theatergerechten Werken und überbordende Visualisierung tragen dazu bei. Schnell wird so mancher Regisseur wie eine Diva gefeiert, ebenso schnell gehen ihnen Ideen aus und kopieren sie sich selbst. Bluffer schaden einem Berufstand, bei dem es viele bestens ausgebildeter Könner gibt und der für das Überleben der Kunstgattung dringend nötig ist. Es geht beim Musiktheater nicht um altoder neumodische, sondern um gute oder schlechte Arbeiten. Direktoren tragen die Verantwortung, Bluffer von Profis zu unterscheiden, dem richtigen Künstler das richtige Werk anzuvertrauen, die Spürnase zu haben für das, was heute gefragt ist.
Der Autor ist Kulturmoderator beim Privatsender ATV