Von der Auslöschung der Fabriken

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Christine S. Prantauer präsentiert in ihrer zweiteiligen Arbeit "raison d’agir“ mittels Fotomontagen und einer Installation vor dem Tiroler Landesmuseum geharnischte Kapitalismus- und Globalisierungkritik im Blick auf gegenwärtige prekäre Arbeitsbedingungen.

Das Kunstforum Ferdinandeum im Tiroler Landesmuseum zeigt vor dem Haus und im Studio Arbeiten der Tiroler Künstlerin Christine S. Prantauer, die an der Akademie der Bildenden Künste in Wien Malerei aber auch in der Medienklasse von Peter Weibel an der Hochschule für Angewandte Kunst studiert hat. In "raison d’agir“ erkennt man die Weibel-Schülerin.

Der französische Titel, der so viel wie "Handlungsbedarf“, "Grund zum Handeln“ bedeutet, soll auf Pierre Bourdieu verweisen, für den Widerstand ein kollektiver Prozess war und der 1996 ein Netzwerk dieses Namens gründete. Bourdieu, französischer Soziologe und Sozialphilosoph, hatte bereits in den Jahren davor seine Sympathien für die streikenden Eisenbahner bekundet und die Jugendrebellion in Frankreich unterstützt. Mit "raison d’agir“ wollte der linke Intellektuelle gegen die Macht der Finanzmärkte angehen, er war "für die Wiedereroberung der Demokratie gegen die Technokratie“; außerdem forderte er "neue Generalstände der sozialen Bewegungen“ - Generalstände, wie sie den Beginn der Französischen Revolution 1789 markierten.

Es kann alle treffen

Christine S. Prantauer hat Titel und Tendenz ihrer Arbeit an Bourdieu angelehnt. In ihren Fotomontagen wie in der Installation vor dem Museum geht es um die gegenwärtige Arbeitswelt. Transparente wie man sie von Streiks und Demos kennt umzingeln einen Baum vor dem Ferdinandeum - sie signalisieren, ebenso wie die großformatigen Fotomontagen im Studio des Ferdinandeums, unzumutbare Arbeitsbedingungen, Arbeitskonflikte, aber auch Widerstand und, durch den sprachlichen Mix verdeutlicht, auch die Globalisierung. Es kann alle treffen und überall; und, siehe Bourdieu, nur im Kollektiv kann Widerstand zu einem Ziel führen und etwas bewirken. "One Zambia, one copper, one copper, one money, no money to china“ liest man gleich neben "no to EU rail privatisation“ oder "greve geral“ neben einem "no a recortes en derechos laborales“.

Prantauer hat in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Projekten umgesetzt, in denen es um einen medienanalytischen Ansatz geht, den sie immer mit einem gesellschaftspolitischen Aspekt verknüpft. Im Klartext verschränkt sie medial vermittelte Bilder der Gegenwart im ersten Schritt mit ganz konkreten Orten, lokalen Geschehnissen, aber auch mit privaten und kollektiven Erinnerungen. Für die Kulturtheoretikerin Elke Krasny analysiert Prantauer "das, was die mediale Informationsmaschinerie Google auf ihren Schreibtisch schwemmt“ und "sie greift zur Strategie der Montage und positioniert diese neu als Form der kritischen Intervention in die gefundene Geschichte der Gegenwart im Netz der Informationsdichte“.

In Innsbruck zeigt sie zum Beispiel eine Serie von Bildern, die ein und dieselbe Fabriksanlage vor immer anderem Hintergrund zeigen; auch die im Vordergrund montierten Transparente, Parolen und Streikaufrufe sind immer andere. Das Einzige, was sie eint, ist der Ausdruck des Widerstandes. Die Fabrik vor einem Gebirge, vor Bäumen, am Meer - das evoziert ganz Nahes wie das Bergpanorama um Innsbruck, aber auch weite Ferne, die für die Globalisierung steht.

Demontage und Fotomontage

Mit ihren Fotomontagen, die trotz der vielen Details eine beunruhigende Leere, den Hauch des Siechtums, des Vergangenen signalisieren und damit die Tristesse der Gegenwart verdeutlichen, wirft Prantauer gleich eine ganze Reihe sozialpolitischer Themen auf. Profitmaximierung macht Produktionsorte austauschbar, gefährdet Arbeitsplätze, führt zu miserablen Arbeitsbedingungen und nicht selten schlussendlich zum Verlust des Arbeitsplatzes. Die ökonomisch bedingte Strategie der Demontage und Auslagerung von Arbeitsplätzen kommt mittels Fotomontage als Gesellschaftskritik daher.

Im zweiten Teil der Fotoserie geht Prantauer dann noch einen Schritt weiter, löscht die Fabrik, löst eventuelle örtliche Beziehungen auf und präsentiert nur mehr diffuse Orte im Irgendwo. Die Arbeit ist nicht mehr an einem bestimmten Ort verankert - geblieben sind nur die Transparente und Slogans, die Forderungen. Damit schließt sich auch der Kreis zu den Transparenten vor dem Museum.

RAISON D’AGIR - Christine S. Prantauer

Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum

bis 16. September, Di-So 9-17 Uhr

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