Von der Schönheit des Kommas

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"Ein rotes Meer“, schüttelte der Deutschlehrer den Kopf, als er die Arbeit retournierte. "Kommasetzung ist Glückssache.“ Er hatte ja so Recht, auch wenn es ganz anders gemeint war. Das Komma ist das Glückskeks der Sprachformung, des Satzbaues, der Sinnstiftung, all der geschmeidigen Gestaltungsmöglichkeiten, die unsere Sprache anbietet. Wer sich nur dem Duden und seinem Regularium überlässt, vergibt die Chance, dem geschriebenen Wort den Atem des gesprochenen einzuhauchen. Für Sprachgourmets zieht das Komma - der Beistrich! - den Vorhang der starren Regelung zur Seite, schafft Rhythmus und Atempause, hilft dem lesenden Auge und dem denkenden Hirn.

Beim Sprechen bietet es den Moment zum Luftholen, beim Vorlesen die winzige Pause, die es braucht, den Blick voraus zu schicken, um den Zusammenhang eines noch unbekannten Satzes zu erfassen. Dem Zuhörer hinwiederum verschafft das Komma den Abstand zwischen Gesagtem und Gemeintem, den notwendigen Freiraum zur Verarbeitung des Gehörten.

Ob inner- oder außerhalb des schließenden Anführungszeichens, ob gliedernd, ob aufzählend und trennend, ob ordnend und verbindend, ob ein Zitat vervollständigend oder verstümmelnd, ob der Fußnote ihre fundamenterrichtende Funktion erst möglich machend: Das Komma tut not. Hätten wir es nicht, wir würden es schmerzlich vermissen.

Scheuen wir nicht die Mühe des Gedankens, der dem Komma seinen richtigen Platz gibt, der niemals am Ende eines Satzes sein kann - denn hinter dem Komma wartet stets noch etwas anderes. Ein Neues, ein Unbekanntes. Ein Versprechen. Das Komma ist das Gipfelkreuz, von dem aus der nächste Berg erahnbar, sichtbar wird. Und ist doch nur ein kleiner Strich, …

* Der Autor ist Lektor bei der Verlagsgruppe Styria

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