Von der Sinnsuche zur Sexualität

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Am Salzburger Landestheater hatte Arthur Schnitzlers "Reigen" Premiere, in der Kammer des Landestheaters das Stück "Tag der Gnade".

Ernüchterung und Kälte setzen nach dem Sexualakt ein. Was vorher versprochen, gilt nicht mehr: Arthur Schnitzlers "Reigen", 1897 fertiggeschrieben, 1920 in Berlin uraufgeführt, immer für einen Skandal oder Prozess gut, hatte am Salzburger Landestheater Premiere.

Ist heute, nach sexueller Revolution samt Pille und Emanzipation der Frau, noch eine theaterwirksame Umsetzung möglich? Muss man nicht in die Trickkiste greifen, um die zehn Dialoge zu "verheutigen"?

Ein Stück des Existenzialismus

Regisseur Ansgar Haag, 1984 bis 1994 Oberspielleiter am Landestheater Salzburg, meint "Nein". Er setzt auf die Qualität der Literatur und die Psychologie des Stücks. Und das gelingt. Lust auf Sex, nicht mehr, nicht weniger - und das reihum: Vorspiel und Nachspiel, blumenreicher Schwulst vorher, eisig klirrende Sachlichkeit nachher - aber kein Porno, bei aller Nacktheit.

Dieser "Reigen" ist bei genauem Hinhören ein Stück des Existenzialismus, die Figuren sehen wenig bis keinen Sinn in ihrem Dasein und stürzen sich in diese Vergnügungen. Ersatzreligion Sex, wenn man so will.

Das Bühnenbild von Bernd Dieter Müller aktiviert die Drehbühne: zunächst fast modern die Szene für Dirne und Soldaten, dann der Plüsch der Jahrhundertwende. Diese stimmige Inszenierung überzeugt am meisten in den Szenen der Jungen Frau mit dem Jungen Herrn - Elisabeth Nelhiebel und Torsten Hermentin zeigen eine gewiefte Liebhaberin und einen etwas ungeschickten Lover - und im Dialog des Süßen Mädels mit dem Ehegatten - Agnes Riegl und Gerhard Hermann - im Séparée. Britta Bayer (Schauspielerin) und Gerhard Peilstein (Graf) sowie die Gäste Tobias Ofenbauer (Soldat), Kirstin Schwab (Stubenmädchen), Barbara Sonntagbauer (Dirne) und Matthias Christian Rehrl (Dichter) fügen sich zu diesem konzisen Ensemble.

Chance auf neuen Anfang

Eine ähnliche Thematik mit einsamen, Sinn suchenden Menschen, die ihr Vakuum durch Erotik zu überspielen trachten (so Haag zum "Reigen"), spricht der "Tag der Gnade" von Neil LaBute an. Axel Linse hat das Stück, das am Tag nach 9/11 angesiedelt ist, mit Detlef Trippel (Ben) und Franziska Sörensen (Abby) in der Kammer des Landestheaters inszeniert. Das Paar hat die Chance, nach dem Anschlag auf die Zwillingstürme als tot zu gelten und miteinander neu anzufangen. Doch die Vergangenheit holt Ben ein. Ein typisch, stellenweise unerträglich amerikanisches Stück im Inhalt, aber mit ausgezeichnet geschriebenen Dialogen, die bei den Protagonisten gut aufgehoben waren.

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