Von der Überwindung der Todesangst

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Zum Lebenswerk von Hildegard Teuschl, Vorkämpferin für die Hospizbewegung in Österreich, die kürzlich verstorben ist.

März 2008: Hildegard Teuschl hält anlässlich der Verleihung des Liese Prokop Preises eine bewegende Rede, in der sie öffentlich von ihrer Krebskrankheit spricht: „Voriges Jahr kam dann mein Rollenwechsel von der ‚Fachfrau‘ zur Betroffenen: Jetzt bin ich Krebspatientin in einem fortgeschrittenen Stadium und erfahre an mir selbst, wofür ich mich für andere engagiert habe. Manches sieht da doch ganz anders aus. Aber ich bin sehr dankbar, aus einem erfüllten Leben schöpfen zu können und mich von Gott getragen zu wissen. Die Bestätigung, den Weg nicht alleine gehen zu müssen, sondern aufmerksame Menschen zu haben, die mir die Liebe Gottes spürbar machen, erlebe ich als Lebensqualität.“ Nach der Rede eine berührte Stille im Saal. Dann ein nachhaltiger andauernder Applaus. Große Bewunderung für einen Menschen, der überzeugend das lebt, wofür er sich politisch eingesetzt hat.

Mit 24 Jahren ist sie in die Schwesterngemeinschaft Caritas Socialis eingetreten. Der Bogen ihres Wirkens spannte sich von dem Einsatz für „schwer erziehbare Mädchen“ über eine 33-jährige Tätigkeit als Direktorin des Ausbildungszentrums der Caritas Wien bis hin zur Hospizarbeit.

1993 gründete sie den Dachverband Hospiz, den sie bis 2007 leitete. Sie brachte den Hospizgedanken nach Österreich und verwandelte das Vorurteil des Ghettosterbens in ein breit getragenes politisches Verständnis, das Hospiz und Palliative Care Lebensqualität bis zuletzt zum Ziel hat. Nicht von ungefähr ist sie vehement für ein Patientenverfügungsgesetz eingetreten. Die Vermittlung von Werthaltungen der Mitmenschlichkeit waren ihr stets ein zentrales Anliegen. Zuerst bei den jungen Menschen in der Ausbildung zu Sozialberufen, später auch bei ehrenamtlichen Helfern, Pflegepersonen und Ärzten im Rahmen von Palliative Care und Hospiz. Als andere noch ihre Overhead Folien auflegten, beamte sie bereits ihre „PowerPoint“-Präsentationen an die Wand. Sie war Meisterin in der Suche nach neuen Wegen, technisch, aber auch inhaltlich.

Sie war an der Gründung des afro-asiatischen Instituts ebenso beteiligt wie an jener der Kardinal König Akademie. Legendär ist ihr Einsatz für die parlamentarische Enquete zur Hospizarbeit in Österreich im Jahr 2001, wo sie u. a. gemeinsam mit Kardinal Franz König dazu beigetragen hat, dass ein vier Parteienbeschluss zu einem Bekenntnis für die Hospizarbeit und gegen aktive Sterbehilfe im Nationalrat einstimmig beschlossen wurde. 2004 ist Hildegard Teuschl vor dem Deutschen Bundestag als Expertin für Hospizarbeit und Palliative Care aufgetreten.

Ihr war klar, dass die Hospizbewegung über das persönliche Schicksal eines sterbenden Menschen hinaus eine immense gesellschaftspolitische Bedeutung hat: Es geht um die Überzeugung, dass jedem Menschen eine uneingeschränkte Würde und ein Lebensrecht zuteil werden muss, gerade auch unabhängig von Gesundheitszustand oder Behinderung. Die Euthanasiegesetzgebung in den Niederlanden und Belgien, wo aktive Sterbehilfe auch abseits einer Terminalphase erlaubt ist, führt uns vor Augen, wie wichtig der von Teuschl vorgezeichnete Weg ist.

Sr. Hildegard Teuschl war eine großartige, frohe und motivierende Ordensfrau. Sie hat aus den Aufbrüchen nach dem II. Vatikanischen Konzil geschöpft. In einer Publikation der „Aktion Leben“ 2008 schreibt sie über ihr Leben: „Meine persönliche Gottesbeziehung und mein Lieblingsschriftwort ‚Gott ist die Liebe‘ tragen mich auch jetzt. Dankbar blicke ich auf das Geschenk der Hilfe und Liebe Gottes in meinen 70 Lebensjahren zurück. Ich habe das Vertrauen, dass er mich auch in dieser letzten Lebensphase nicht allein lässt.“ Hildegard Teuschls Lebenswerk wird weitergehen, oder mit ihren Worten gesagt: „Denn vieles bleibt noch zu tun, wenn sozusagen am Ende des Lebens ‚nichts mehr zu machen ist‘.“

* Der Autor ist Behindertensprecher der ÖVP, die Autorin Sozialexpertin

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