Von der Unsichtbarkeit des Schönen

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Deutsch-Stunde

Falls denn der Weihnachtsmann es doch schaffen sollte, vor dem Glücksboten der Online-Wir-verkaufen-dir-gerne-jeden-Ramsch-Firma durch den Schornstein zu plumpsen, dann liefe er radikale Gefahr einer Sinnesverwirrung. Denn er täte sich zunehmend schwer, den Platz unter dem Weihnachtsbaum (den Ältere noch als Christbaum in Erinnerung haben) als den Ort der Bescherung zu erkennen. Denn dort, unter dem Baum, wo vor gar nicht so langer Zeit Päckchen lagen, bescheiden oder üppig, aber allemal von Gestalt und Volumen, dort gähnt jetzt das Nichts.

E-Books, heruntergeladene Musik, Gutschein und Geld verdrängen das Objekt, das aufgrund seiner typischen Form Vorfreude bot. Und so unnaturgemäß wie unvermeidlich brennen auf vielen Christbäumen Kerzen, die kein Wachszieher je gesehen. Denn es sind e-Kerzen, gern gesehen im Land am Strome. Komisch ist es schon, in jeder Umfrage schwört jeder auf die Tradition und "es soll doch sein wie einst“, und doch fliegt offenkundig nichts so gründlich über Bord wie die Kindheitserinnerung.

War es früher anders - oder waren wir anders?

Seltsam - der Zimtstern auf dem Teller, seit September frisch in Ihrem Supermarkt gelagert, schmeckt auch anders als früher, die Tannennadeln waren einmal grüner, und Schnee gibt’s auch keinen. War das früher wirklich anders? Oder waren wir anders, offener, bereiter uns dem Begriff der "Weih“-Nacht zu öffnen? Jenem Datum, das auf immer herausgehoben war und ist aus dem aufgeregten Kalendergeschehen. Jenem Tag, der so glänzt zwischen dem Dunkel des Advents und der Düsternis der Raunächte. Die Menschen wenden sich dem Materiellen zu und denken, es sei immateriell, weil in unsichtbare Datenpakete verwandelt.

Dabei hat es diese unsichtbaren Geschenke immer gegeben. Sie hießen Zeit, Zuwendung, Fürsorge, Aufmerksamkeit, Hingabe. Sie sind noch immer da, in allen Größen und Farben, und sie kosten nichts. Also liebe Deutsch-Stunden-Leserinnen und auch Sie, lieber Leser: Erfreuen Sie sich an den wirklichen Dingen. Und an der Weih-Nacht.

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