Von dieser Krise mitten im Leben

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Josef Hader, bislang als Kabarettist, Schauspieler und Drehbuchautor erfolgreich, versucht sich im Spielfilm "Wilde Maus" erstmals zusätzlich als Regisseur.

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Josef Hader, bislang als Kabarettist, Schauspieler und Drehbuchautor erfolgreich, versucht sich im Spielfilm "Wilde Maus" erstmals zusätzlich als Regisseur.

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Josef Hader, den Schauspieler, Josef Hader, den Kabarettisten, und Josef Hader, den Autor lieben die Kinogeher schon seit Langem. Nun darf sich das p. t. Publikum auch an Josef Hader, dem Regisseur, delektieren -es ist wirklich eine Schaulust, zu der das Opus eins des künstlerischen Multitaskers verführt, denn in seinem neuen Film "Wilde Maus" firmiert er eben als Regisseur, Drehbuchautor und Hauptdarsteller in Personalunion.

Wie so oft bei Hader, ist das nicht lustig, so wie sich das Leben - nicht nur im Fall Georgs, des Musikkritikers a.D. - als ziemlich unlustig erweist. Aber komisch und vor allem: grotesk ist es immer. Auf diesen Nenner kann die professionelle Masche des Josef Hader gebracht werden -ob man sich nun den verkrachten Detektiv Brenner in Wolfgang Murnbergers Krimi Verfilmungen oder den abgefahrenen Pathologen Dr. Fuhrmann in David Schalkos TV-Zweiteiler "Aufschneider" zu Gemüte führt.

Immer handelt es sich um gescheiterte Existenzen, und in der "Wilden Maus" ist das nicht anders - wobei auch der sich selber in der zweiten Lebenshälfte befindliche Filmkritiker eigentlich befangen ist, erzählt Drehbuchautor Hader hier von den Unbilden der eigenen Profession -und die sind noch arg realistisch überzeichnet.

Eine alte Achterbahn im Prater

Georg (Hader), mit 50 bei den Best-Agern angekommen, ist Musikkritiker einer Wiener Tageszeitung -und mächtig: mit einer Sottise kann er etwa die Karriere eines aufstrebenden Geigers beenden.

Doch die Zeiten sind nicht mehr das, was sie einmal waren: Die junge Kollegin vom Sport (Nora von Waldstätten) ist so was von ignorant und findet nichts dabei, dass ein Motiv von Anton Bruckner zum Stadion-Schlachtgesang wurde, den die Fußball-Prolos grölen.

Aber ein Feingeist hat auch in einem Qualitätsmedium von heute nichts mehr verloren: Der von nördlich der Weißwurstgrenze geholte Chef (Jörg Hartmann) setzt den (zu) teuren Redakteur einfach auf die Straße, doch Georg wagt es nicht, zu Hause den Jobverlust zu beichten. Denn Ehefrau Johanna (Pia Hierzegger), die deutlich jünger als Georg und Psychotherapeutin ist, erweist sich als des Ex-Kritikers personifizierte Midlife-Crisis.

Johanna will ausgerechnet jetzt ein Kind von Georg (auch sie weiß, dass ihre biologische Uhr längst tickt) und ist somit mit Eisprung-Berechnungen und ähnlichen Fertilitätsförderungen völlig ausgelastet. Bloß: Die solcherart unterstützte Befruchtung will sich nicht und nicht einstellen.

Kein Wunder, dass Georg dies für einen ungünstigen Zeitpunkt hält, sein berufloches Malheur zu offenbaren. Also treibt er sich tagsüber im Prater herum,wo er dem vergessenen einstigen Mitschüler Erich über den Weg läuft, der auch entlassen wurde. Die alte Prater-Achterbahn "Wilde Maus", die beide unter anderem wieder in Gang zu bringen suchen, ist übrigens die Titelgeberin des ganzen Films.

Als Georg dann in seiner Ex-Zeitung eine von der schlichten Ex-Kollegin vom Sport verfasste Musikkritik unter seinem Namen liest, beginnt er auszurasten: Er zerkratzt das Auto seines piefkinesischen Ex-Chefs und hat auch sonst noch so einiges im Kopf, wie er den Arschlöchern, die ihn beruflich in die Wüste geschickt haben, am Zeug flicken kann.

Der Plot eskaliert folgerichtig ins Groteske, ein Showdown in den niederösterreichischen Voralpen, wo der kaum bekleidete Georg durch mannshohen Pulverschnee rast und sich auch aus dieser Welt zu vertschüssen sucht, ist die Folge. Mag die Handlung zu Beginn eher verhalten in Schwung gekommen sein, so ändert sich das im Lauf des Films hin zu einem atemberaubenden Tempo.

Ein gelungenes Regie-Debüt

"Wilde Maus" ist zweifellos ein gelungenes Regie-Debüt. Das liegt auch daran, dass sich Josef Hader vor der Kamera mit dem bescheidet, was er wirklich gut kann: Den aus der Bahn geworfenen mittelalterlichen Mittelklasse-Zeitgenossen versieht zurzeit niemand so sehr mit echtem Unglück und gespielter Verzweiflung wie eben dieser Schauspieler.

Auch die anderen Darsteller(innen) tragen zu diesem Gelingen bei -allen voran Pia Hierzegger als kongeniale Personifizierung einer neurotischen Beziehung: Johanna dürfte nicht die erste Psychotherapeutin sein, die zwar ihre Weisheit bei allen möglichen Klient(inn)en und Paaren anbringt, sie ist aber nicht imstande, selbige in eigener Sache anzuwenden.

Das setzt sich in den kleinen Rollen fort: Jörg Hartmann, hierzulande als psychisch labiler Dortmunder Tatort-Hauptkommissar Peter Faber erinnerlich, gibt den Rausschmeißer-Chef bei der Zeitung authentisch. Und Georg Friedrich spielt den Strizzi Erich in gewohnter Manier -das kann er einfach. Last not least verkörpert Nora von Waldstätten geradezu perfekt das unbedarfte Redaktionsmitglied, wie es heutzutage praktisch in allen Medienhäusern zu finden ist.

Wilde Maus

A/D 2017. Regie: Josef Hader. Mit Josef Hader, Pia Hierzegger, Jörg Hartmann, Georg Friedrich, Nora von Waldstätten. Filmladen. 103 Min.

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