Underground Railroad - © Foto: Shutterstock

"Underground Railroad": Von Fluchthelfern und Rassisten

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Die "Underground Railroad" befreite tausende Sklaven. Der Rassismus aber blieb. Colson Whiteheads Roman erzählt nicht nur von damals.

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Die "Underground Railroad" befreite tausende Sklaven. Der Rassismus aber blieb. Colson Whiteheads Roman erzählt nicht nur von damals.

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"Die weiße Rasse glaubt - glaubt von ganzem Herzen -,dass sie das Recht hat, das Land zu rauben. Indianer zu töten. Krieg zu führen. Ihre Brüder zu versklaven." Was sich wie ein aktueller Kommentar zum Aufmarsch von White-Supremacy-Anhängern in Charlottesville liest, lässt US-Autor Colson Whitehead einen Protagonisten in seinem neuesten Roman sagen, und zwar gegen die Ideologie der Überlegenheit der weißen Rasse: "Wenn es irgendeine Gerechtigkeit auf der Welt gibt, dürfte diese Nation nicht existieren, denn ihre Grundlagen sind Mord, Diebstahl und Grausamkeit. Dennoch sind wir hier."

"Underground Railroad", soeben auf Deutsch erschienen, wurde mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet, für die Mischung von Realismus und Allegorie, für die Verbindung der Gewalt der Sklaverei mit dem Drama der Flucht, in einer Art Märchen, das sich an das gegenwärtige Amerika wendet.

Diese Auszeichnung war also durchaus auch politisch motiviert. Der Rassismus hat nie aufgehört zu sein und zu wirken, wie zahlreiche Dokumentationen und das mutwillige Erschießen von Schwarzen bis heute zeigen - auch deswegen kommt Colson Whiteheads Roman zur rechten Zeit.

Auf den ersten Blick lockt er in eine konkrete historische Zeit. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sorgte ein gut vernetztes Helfersystem mit Routen, Treffpunkten und Verstecken dafür, Sklaven aus dem Süden in den Norden, also in die Freiheit zu schleusen. Entlaufene Schwarze riskierten als Helfer ihr Leben. Zusammen mit engagierten Weißen - darunter vor allem Abolitionisten, die aus Glaubensgründen die Sklaverei ablehnten - leisteten sie zivilen Ungehorsam gegen ungerechte Gesetze. Entscheidend war absolute Geheimhaltung, dem Eisenbahn-Code ("conductor" für Fluchthelfer, "station" für Flüchtlingsunterkunft ...) verdankt das Fluchthilfenetz seinen Namen: "Underground Railroad." Zwischen 50.000 und 100.000 Sklavinnen und Sklaven sollen bis 1860 auf diese Weise gerettet worden sein, vielleicht auch weniger. Eine kleine Zahl angesichts der vier Millionen Sklaven, eine große Zahl angesichts jedes und jeder einzelnen Geretteten.

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