Von Glauben und Zweifel

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Das Kunsthaus Bregenz zeigt fulminante Arbeiten der US-amerikanischen Konzeptkünstlerin Barbara Kruger. In ihrer Kunst wird nichts Geringeres als das Leben selbst verhandelt.

Ähnlich wie an anderen stark frequentierten Plätzen in London oder New York platziert die US-amerikanische Konzeptkünstlerin Barbara Kruger an der seeseitigen Fassade des Kunsthauses Bregenz ein riesiges Plakat. Ein roter Smiley ist dabei einem weinenden Gesicht überzeichnet und weist so auf die ambivalente Emotionalität des Internetzeitalters hin.

Außerhalb des musealen Kontextes gestalten die Künstler, die im Kunsthaus Bregenz ausstellen, normalerweise entlang der stark befahrenen Seestraße sechs sogenannte KUB-Billboards. Eines dieser Billboards bildet die Wörter "Belief + Doubt = Sanity“ ab ("Glaube + Zweifel = Gesundheit“). Barbara Kruger gelingt damit die Kurzfassung eines modernen, erwachsenen, aufgeklärten Glaubens, der sich mithilfe von Zweifel zu einer vernünftigen Schau metaphysischer Realität hocharbeitet.

Ästhetischer Paukenschlag

Kruger, geboren 1945, lebt und arbeitet in Los Angeles und New York. Auf der 51. Biennale von Venedig 2005 wurde sie mit dem Goldenen Löwen für ihr Lebenswerk ausgezeichnet und lehrt derzeit an der University of California, Los Angeles. Die Ausstellung im KUB beginnt im ersten Stockwerk mit einem ästhetischen Paukenschlag: Der Besucher betritt das Kunstwerk buchstäblich, denn der gesamte Boden, circa 500 Quadratmeter, ist mit einem Plakat ausgefüllt. Der Besucher geht über Aussagen wie "nicht trampeln“ oder "nicht einsperren“, die mit dem zentralen Satz "Gewalt lässt uns vergessen, wer wir sind“ konterkariert werden.

Diese extra für Bregenz geschaffene Arbeit verweist auf die zentralen Fragen von Verführung und Manipulation im Werk von Barbara Kruger. Ergänzend dazu sind konventionell scheinende, kleinformartige Fotocollagen an den Wänden angebracht, die mit ihren sinnigen Sprüchen Botschaften aus dem Unterbewussten kundzutun scheinen. Auch hier schlagen die Werke von Barbara Kruger eine Schneise in den Dschungel der menschlichen Psyche.

Babylonische Verwirrungen

Im zweiten Stockwerk sind Videoarbeiten der Künstlerin zu sehen. Barbara Kruger hat dazu zwölf Gespräche mit Schauspielerinnen und Schauspielern gefilmt, die sich über familiäre Streitigkeiten, Politik, Alltägliches, Beziehungsprobleme oder zeitgenössische Kunst unterhalten. Dabei reden jeweils zwei Personen miteinander, die auf gegenüberliegende Wände projiziert sind, und unten läuft ein Schriftband mit, wo die Künstlerin noch einen Subtext mitliefert. Die frappanten Missverständnisse haben etwas vom Turmbau zu Babel an sich, scheinbares Verstehen problematisiert das In-der-Sprache-Sein.

Eines dieser Gespräche dreht sich um Gott und geht so: 1. Mann: "Glaubst du an Gott?“ / 2. Mann: "Warum?“ / 1. Mann: "Ich will’s einfach wissen.“ / 2. Mann: "Warum?“ / 1. Mann: "Weil es wichtig ist.“ / 2. Mann: "Warum? Warum ist es wichtig?“ / 1. Mann: "Es ist das wichtigste Ding auf der ganzen Welt. Nichts anderes spielt eine Rolle.“ / 2. Mann: "Nichts anderes spielt eine Rolle.“ / 1. Mann: "Nichts.“

Die Frage nach einer personalen metaphysischen Realität wird hier in einer Unbedingtheit gestellt, und doch ist das Verstehen der beiden Männer nur ein scheinbares Verstehen. Voll von Lakonie und voll Menschenkenntnis ist dieser Dialog. Auch die weiteren Dialoge zeugen von einem tiefen Verständnis des menschlichen Seins, in dieser Kunst wird nichts Geringeres als das Leben selbst verhandelt.

Bombastisches und Kleinformatiges

Im dritten Stockwerk ist wieder eine für das KUB geschaffene Wandarbeit zu sehen, über 75 Meter läuft ein Spruchband mit dem Kafka-Zitat "Der Sinn des Lebens besteht darin, dass es endet“.

Die großflächigen Arbeiten im ersten und dritten Stockwerk sind plakativer Natur. Kritische Geister könnten einwenden, dass sie auch auf viel geringerer Ausstellungsfläche gezeigt werden könnten. Dagegen ist zu sagen, dass die großformatigen Arbeiten gerade in ihrer bombastischen Riesenhaftigkeit erst ihre künstlerische Bedeutung entfalten. Auch die kleinformatigen Fotocollagen im ersten Stockwerk könnten bequem in einer buchförmigen Publikation betrachtet werden, und doch ist es gerade die Erschließung im musealen Raum, die ihre spezifische Wirkung entfaltet.

Insgesamt eine tiefschürfende Schau. Kennwort: nicht verpassen.

Barbara Kruger

Believe + Doubt

Kunsthaus Bregenz

bis 12. Jänner 2014, Di-So 10-18, Do bis 21 Uhr

www.kunsthaus-bregenz.at

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