Der Briefwechsel zwischen Kardinal Martini und Umberto Eco: Von Gut & Böse

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Ein Atheist und ein Kardinal beginnen den öffentlichen Dialog, der intensiver als in einem schmalen Buch zu führen wäre.

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Ein Atheist und ein Kardinal beginnen den öffentlichen Dialog, der intensiver als in einem schmalen Buch zu führen wäre.

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Carlo Maria Martini, Kardinal von Mailand, ist ein hochgeachteter Mann. In seiner Diözese versucht er durch vielerlei Initiativen, einen Raum des Gesprächs zu eröffnen; beispielsweise beim "Podium für die Nicht-Glaubenden", wo konkret die Möglichkeit der Auseinandersetzung mit den Fragen und Begründungen von Menschen, die nicht glauben, und Christen, die glauben, versucht wird.

Der Zsolnay-Verlag hat unter der selben Intention ein Buch herausgebracht, in dem der Mailänder Kardinal den christlichen Part übernimmt. Sein Vis-a-vis ist der nicht minder bekannte Bologneser Semiotiker und Bestsellerautor Umberto Eco: "Woran glaubt, wer nicht glaubt?" gibt schon im Titel das Programm vor. Das Buch beruht auf jenem Briefwechsel der beiden, der 1995/96 in der Zeitschrift liberal erschien und in Italien Furore machte.

Das Anliegen, ein nicht-apologetischer, nicht-indoktrinierender Diskurs, ist bei beiden Partnern gut aufgehoben. Eco übernimmt bei dreien der vier Briefe an Martini den Part des "Fragestellers"; mit bekannter Eloquenz und Schärfe fragt er den Kardinal nach seiner Ethik und thematisiert zwei Reizthemen: Wann beginnt das Leben (im Kontext mit der Abtreibung)? Und: Warum weiht die Kirche keine Priesterinnen? Mediävist Eco kann dabei auf seine Kenntnis des Thomas von Aquin rekurrieren und legt dem Jesuiten Martini keine leichte Kost vor. Hinter den brillanten Formulierungen des Atheisten (Beispiel: Sei die Menschheit nicht an sich kosmophagisch, neige also dazu, das "Universum aufzufressen"?) verbergen sich aber mehr als hintergründige Fragen.

Martinis Antworten sind gleichfalls von hohem Niveau, bringen jedoch, wie sich etwa bei der Diskussion zum Frauenpriestertum zeigt, wenig Neues: auch der Kirchenfürst vermag die Schwächen der kirchlichen Argumentation in keiner Weise auszuräumen.

Der Martini-Eco'sche Briefwechsel inspirierte Italiens Intellektuelle zu weiteren Stellungnahmen; sechs davon sind ebenfalls abgedruckt, danach wird Martini nochmals in einem "Reprise" betitelten Kapitel die Möglichkeit zur Erwiderung geboten. Der deutschen Ausgabe des Buches ist zusätzlich ein Vorwort von Kardinal König vorangestellt.

Obwohl Martini über die bekannten kirchlichen Positionen nicht hinausgeht und die beiden Hauptautoren einander mit etwas zuviel Pathos schöntun, stellt das schmale Buch einen jener viel zu selten angestrengten Versuche dar, das Christentum und einen atheistischen Humanismus ins Gespräch zu bringen: Angesichts der vielerorts beklagten "moralischen Krise" wäre dieser Dialog oft zu führen - und auf die Frage nach Gut und Böse zuzuspitzen: Im vorliegenden Buch kommen alle Beteiligten letztendlich hier an.

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