Von märchenhaftem Zauber

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Karl Heinz Hackl gelang im Theater in der Josefstadt eine sehenswerte Inszenierung von Raimunds "Verschwender".

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Karl Heinz Hackl gelang im Theater in der Josefstadt eine sehenswerte Inszenierung von Raimunds "Verschwender".

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Keine biedermeierliche Ouvertüre, keine fröhliche Dienerszene zum Auftakt, stattdessen eine fast dunkle Bühne auf der ein einsamer Mensch ein wehmütiges Gedicht spricht: Ferdinand Raimunds romantische Melancholie gibt einer in ihrer Brüchigkeit faszinierenden Aufführung im Wiener Theater in der Josefstadt den Rahmen. Isabella Suppanz und Karlheinz Hackl haben den "Verschwender" bearbeitet, Hackl hat Regie geführt, das Ergebnis ist nicht das übliche Zaubermärchen, und trotzdem liegt über einem großen Teil dieser Inszenierung ein märchenhafter Zauber.

Welch ein Stück! Liebe und Trauer, Niedertracht und Treue, Abschied und Wiedersehen, Glück und Verzweiflung, Überfluß und Armut - was alles hat nicht Ferdinand Raimund voll Poesie und Gefühl in sein 1834 uraufgeführtes dramatisches Hauptwerk verarbeitet. Jener Raimund, der nach einer unglücklichen Verbindung die Frau seines Lebens nicht ehelichen durfte, der am Aufstieg seines derben Konkurrenten Johann Nestroy litt, der sich Ende August 1836 nach einem Hundebiß aus Angst, er könnte die Tollwut bekommen, eine Kugel durch den Kopf jagte und daran wenige Tage später elend zugrunde ging. Kurz davor hatte er noch folgenden Text, den diese Aufführung in Erinnerung ruft, gedichtet: "In des Lebens späten Tagen/Sinkt die Freude mir in Nacht/Und nur Ihr will ich es klagen/Was so elend mich gemacht."

Auch in Hackls Inszenierung greift die Hauptfigur Julius von Flottwell zur Schußwaffe, nicht wie im Textbuch zum Degen, als sie sich ihres lästigen alter ego, des Bettlers, entledigen will. Dieser Bettler ist aber Azur, der unverwundbare Schutzgeist Flottwells, er erbettelt von ihm in kurzer Zeit ein Vermögen und stellt es am Ende dem verarmten Verschwender wieder zur Verfügung. Doch Hackl entläßt seinen Flottwell nicht in das naive Original-Happy-End mit dem Aufmarsch der Tischlerfamilie und fröhlicher Landleute, sondern in die Verunsicherung und die Selbstzweifel des Dichters.

Ob diese Verbindung der Hauptfigur eines Stückes mit seinem Autor, wie sie ja heute immer wieder Regisseure versuchen, im Fall von Flottwell und Raimund ganz zutreffend ist - mehr von Raimunds Innerem spiegelt vermutlich der Menschenfeind Rappelkopf wider -, darüber läßt sich diskutieren. Das Ergebnis ist jedenfalls spannend und sehenswert, zur Schlußszene würden beinahe die berühmten, aber leicht als zu moralisierend empfundenen Zeilen von Raimunds Zeitgenossen Franz Grillparzer aus "Der Traum ein Leben" passen: "Eines nur ist Glück hienieden, eins, des Innern stiller Frieden ..."

In der eher kargen Ausstattung von Ulf Stengl und Silva Merlo zur nicht unangenehm, aber gewöhnungsbedürftig schräg-modern instrumentierten Musik Konradin Kreutzers (Bearbeitung: Otmar Klein) versagt sich Karlheinz Hackl nicht auflockernden Effekten (in der Jagdszene fällt ein ganzes Wildschwein auf die Bühne), betont aber ohne Angst vor Pathos vor allem das Schicksal des Verschwenders Flottwell. Herbert Föttinger wächst in dieser Rolle über sich hinaus und setzt mit Maria Köstlinger, die bravourös drei Figuren - die Fee Cheristane, Amalie von Klugheim und die Tischlertochter Liese - gestaltet, die Höhepunkte des Abends.

Aber auch Rudolf Jusits als treu-idealistischer Valentin und Petra Morze als hantig-realistische Rosa spielen zu Herzen gehendes Theater. Der Kammerdiener Wolf des Stefan Matousch, perfekt im Umgang mit Intrige und Korruption, ist eine erstaunlich und erschreckend modern angelegte Figur, auch der geheimnisvolle Bettler des Toni Slama und das alte Holzweib der Erni Mangold können sich sehen lassen. Das übrige Ensemble zeigt Licht und Schatten, manchmal entsteht der Eindruck, Hackl habe hier etwas die Zügel schleifen lassen und sich vor allem um die Hauptdarsteller gekümmert. Und denen ist auch in erster Linie dieser starke Raimund-Abend zu danken.

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