Von Mitgefühl und Angst

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Sie haben schlechte Karten derzeit: die heimische Politik und das Euro pa der EU. Schwer lasten brisante Probleme auf ihnen: Flüchtlingsdramen und Griechenlandhilfe, Finanzkrise und Jobverluste, die Rückkehr des Krieges nach Europa usw.

Die Überforderung ist offenkundig - in wachsenden Wähler-Randgruppen verstärkt sich zudem der Vorwurf einer "Preisgabe der Heimat" an eine bedauernswerte, aber letztlich doch kulturell unakzeptable muslimische Menschenflut.

Glaubt man den Umfragen, dann wird der jüngste Erfolg nationalistischer, antieuropäischer Parteien in Europa auch an Österreich nicht vorbei gehen.

Die Europäische Union wird das überstehen, ja, langfristig aus diesen Krisen gestärkt hervorgehen, wie Othmar Karas in einem brillanten Plädoyer soeben beim "Kardinal König-Gespräch" ("Europa - wozu?") versichert hat. Denn auch bisher seien es gerade die großen Bedrohungen gewesen, auf die der einzelne Staat keine Antwort mehr finde, die Europa letztlich ein Mehr an solidarischem Handeln geschenkt hätten. Für Karas ist klar: "Sollte die EU scheitern, zum Sprecher eines demokratischen, solidarischen Kontinents zu werden, dann wird Europa in seine Nationalismen zurückfallen und zum Verlierer der Globalisierung werden!"

Tatsächlich: Die Hilflosigkeit nationaler Politiken war selten so offenkundig wie gerade in der Flüchtlingsfrage. Jede groß verkündete Strategie erwies sich als kurzlebig: Grenzen auf - oder lieber zu? Züge mit Flüchtlingen füllen (solange sie nur zum Nachbarn fahren) - oder wieder räumen? Grenzzäune bauen - oder doch nicht?

Öffnung der Herzen

Besonders beliebt ist jetzt ein wohlklingendes Ziel: den Schleppern ihr kriminelles Handwerk zu legen, "um Menschenleben zu retten". Nur: Wohin dann mit den Zehntausenden Verzweifelten, die es ja nur noch mit Hilfe von Schleppern schaffen, der Katastrophe zuhause zu entkommen?

Und: Wo findet sich noch ein mildtätiges Land, das ihnen ohne Rechtsverletzung ein Überleben sichert? Und wo könnten jetzt UNO-"Schutzzonen" für sie entstehen -abseits von Krieg, Terror und den längst überfüllten Ländern Libanon und Jordanien?

"Wir müssen mehr tun", hat Kardinal Schönborn bei der Trauermesse für die 71 Erstickten gedrängt. Wie recht er hat! Nur: Wie belastbar werden solche Appelle bleiben, sollte der Strom der Verzweifelten nicht bald enden? Das aber wird er nicht.

Hand aufs Herz: Spüren wir nicht alle diese doppelte Emotion in uns -Mitgefühl und Angst?

Ich denke an die achtköpfige Familie aus Afghanistan, die wir in unserem Pfarrhaus aufgenommen haben. Welche Abwehr-Bürokratie war da bis vor kurzem am Werk! Und welcher Umwege bedurfte es, um die von weither Geflüchteten bei uns behalten zu dürfen! Jetzt plötzlich ist solches dringend erbeten.

Wie lange aber wird die nach Parndorf spürbare Öffnung der Herzen andauern - beim Staat und auch in uns?

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