Von realen und imaginären Heimaten

Werbung
Werbung
Werbung

Was Albin Egger-Lienz für Lienz ist, ist Alfons Walde für Kitzbühel und Werner Berg für Bleiburg. Die Museen dieser Städte sind mit den Arbeiten "ihrer“ Künstler voll - nun werden sie in einem gemeinsamen Ausstellungsprojekt einen Sommer lang gemischt.

Was den 1868 in Lienz geborenen Albin Egger mit dem 23 Jahre jüngeren Kitzbüheler Alfons Walde und dem 36 Jahre jüngeren aus dem Ruhrgebiet nach Unterkärnten emigrierten Werner Berg verbindet, war ihr Arbeiten abseits großer Kunstzentren. Die jeweilige Region wurde für sie zur Bühne einer Kunst, die nur hier entstehen konnte: verdichtet zu Metaphern ihre Menschen, deren Traditionen und Landschaften. Und so ist es nur logisch, dass das gemeinsame Ausstellungsprojekt der städtischen Museen von Kitzbühel, Lienz und Bleiburg "Über das Land“ heißt.

Regional verwurzelt, international geprägt

Was die Arbeiten der drei Künstler aber von jenen schlichter Heimatmaler unterscheidet, ist ihr Verwurzelt-Sein in der großen Kunst ihrer Zeit. Was besonders für Egger-Lienz und Walde zutrifft, die in Wien, München und Weimar studiert bzw. gelebt und gelehrt hatten, bevor sie sich in die tirolische Kunstprovinz zurückzogen, um dort - unbeeinflusst von den Strömungen der Zeit - ihre Œuvres zu schaffen, mit denen sie die österreichische Kunstgeschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mitschreiben sollten. Bei Werner Berg liegt der Fall anders. Er wurde in Wuppertal geboren, besuchte nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften drei Jahre lang die Wiener Kunstakademie, bevor er den einsam gelegenen Rutarhof im kärntnerischen Jauntal erwarb, wo er bis zu seinem Lebensende ein hartes Leben als Einschichtbauer und Maler führen sollte.

Die Arbeiten der drei Künstler - die einander persönlich nie kennengelernt haben - gemeinsam zu zeigen, erweist sich als fabelhafte Idee, wird auf diese Weise doch reizvoll verbindend Zeitgeistiges offenbar, genauso wie individuell Handschriftliches, zeigen sich formale Stärken und Schwächen und auch gegenseitige Beeinflussungen.

Die Idee zum Kunst-Austauschprojekt kommt von Harald Scheicher, dem Enkel und Nachlassverwalter Werner Bergs. Er ist auch der Gestalter des Bleiburger Ausstellungsteils, während die beiden anderen der Tiroler Kunsthistoriker Günther Moschig kuratiert hat - akzentuiert durch thematische Schwerpunkte, die sich aus den permanenten Sammlungen der drei Museen ergeben. Wie unterschiedlich die drei Künstler die Landschaft gesehen haben, wird schön in Kitzbühel vorgeführt. Da hängen in ihrer Schwerblütigkeit großartige Bilder des Archaikers Egger-Lienz, der seinen Lebensraum zu großen, in einem monochromen Kolorit ausgebreiteten Formen stilisiert, neben den wunderbar fast dreidimensional sich über blauen Himmeln bauschenden Schneelandschaften Waldes. Die in ihrer farbenfrohen Heiterkeit wieder so grundlegend anders sind als die von starken Kontrasten dominierten landschaftlichen Impressionen Bergs, die künstlerisch allerdings in einer ganz anderen Liga spielen.

Dem Typus des bäuerlichen Menschen ist der Bleiburger Ausstellungsteil gewidmet. Bei seinen sommerlichen Aufenthalten im Tiroler Ötztal hat Albin Egger-Lienz jene markanten Gesichter gefunden, die sich in den gemalten Säern, Schnittern oder betenden Bauern wiederfinden: überindividuell stilisiert zum schicksalhaft endlichen Geschöpf, lebend im Einklang mit der Natur und deren ewigem Rhythmus von Werden und Vergehen. Werner Berg hat dagegen den slowenischen Bauern ein eindrucksvoll herbes Gesicht gegeben - auch bei ihm verschoben ins Prototypische, bisweilen fast karikierend Anekdotische.

Den weitaus größten Ausstellungsteil beherbergt das in Schloss Bruck eingerichtete Museum der Stadt Lienz. Seine beachtliche permanente Egger-Sammlung wurde teilweise umgehängt, um den Arbeiten des Osttiroler Paradekünstlers zu den Themen Religion, Krieg, Porträt sowie "Mensch und Landschaft“ solche von Walde und Berg gegenüberzustellen.

Gesichter wie aus Holz geschnitzt

Sujets, in denen sich die unterschiedlichen Künstlerpersönlichkeiten vielleicht am deutlichsten offenbaren. "Der tote Christus“ ist bei Egger verkürzt zur nackten Kreatur, der alles Göttliche fehlt. Naive Volksfrömmigkeit scheint dagegen Werner Berg fasziniert zu haben, stilisiert zu bunten, erzählerischen Bildgeschichten. Für Walde waren religiöse Feste wiederum dankbare Motive, um die bunten Trachten der Kirchgänger in seine pittoresken, in früheren Jahren deutlich von Egon Schiele inspirierten Genrebilder einfließen zu lassen. Die Bildnisse von Berg sind expressive Psychogramme. Ein wirklich großer Menschenmaler war im Gegensatz zu ihm Egger-Lienz, egal ob er seine kleinen Töchter oder Ötztaler Bauern verewigte, deren Gesichter wie aus Holz geschnitzt daherkommen und später in seinen erschreckend endgültigen Kriegsbildern immer wieder auftauchen.

Egger-Lienz/Walde/Berg - Über das Land

Schloss Bruck, Museum Kitzbühel, Werner Berg Museum Bleiburg, bis 31. Oktober

www.eggerlienz-walde-berg.at

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung