Von Spendenfreude und Budgetklemme

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Die Katastrophen des Vorjahres lösten eine Welle der Hilfsbereitschaft aus: Kirchliche Hilfsorganisationen verzeichnen einen neuen Spendenrekord.

Weltweit haben 925 Millionen Menschen nicht genug zu essen. Caritas-Auslandshilfechef Christoph Schweifer bezeichnet diesen Umstand als "den größten Skandal der Welt“. Die Hilfe des Einzelnen sei von essenzieller Bedeutung. Diese war im Vorjahr in Österreich so groß wie nie zuvor.

Katastrophen wie das Erdbeben in Haiti und die Überflutung in Pakistan bewegten die österreichischen Spenderinnen und Spender 2010 zu einer noch nie in diesem Ausmaß dagewesenen Großzügigkeit: Die kirchlichen Hilfsorganisationen verzeichnen für 2010 einen Spendenrekord von insgesamt 98,4 Millionen Euro, um rund acht Prozent mehr als 2009. Dadurch sei es den Hilfswerken möglich gewesen, über 4 000 Projekte in über 100 Ländern zu unterstützen - das betonte Heinz Hödl bei einer Pressekonferenz. Hödl ist Geschäftsführer der Koordinierungsstelle der Bischofskonferenz (KOO), der Dachorganisation aller Hilfsorganisationen für Entwicklungsländer.

"Unser ureigener Auftrag“

Über einen Rekord freut sich neben kirchlichen Hilfsorganisationen wie der Caritas und Dreikönigsaktion auch die "Aktion Familienfasttag“: 2010 konnten rund 2,4 Millionen Euro für frauenspezifische Entwicklungsprojekte eingenommen werden. Seit 1958 sammelt die Katholische Frauenbewegung Spenden für Projekte, die der Stärkung von Frauen dienen. Dabei werden Bereiche wie Bildung, Gesundheit und Ernährungssicherheit abgedeckt. Die Aktion Familienfasttag unterstützt mehr als einhundert Entwicklungsprojekte mit verschiedenen Schwerpunkten in Ländern des Südens.

Der für Entwicklung und Mission zuständige Bischof Ludwig Schwarz (s. Bild rechts) richtete "ein großes Danke“ an alle Spender. Er bezeichnete tatkräftige Nächstenliebe und Solidarität mit den Ärmsten als "unseren ureigenen Auftrag“. Schwarz forderte die politisch Verantwortlichen dazu auf, sich ein Beispiel an der Bevölkerung zu nehmen und "endlich einen angemesseneren Beitrag zur weltweiten Bekämpfung von Armut und Hunger zu leisten.“

Dieser Appell wurzelt im starken Gegensatz des Spendenrekords zur mangelhaften staatlichen Entwicklungszusammenarbeit. Laut offiziellen Zahlen gab die Regierung im Jahr 2010 rund 0,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Entwicklung aus. Damit ist Österreich vom gemeinsamen Ziel der UNO-Staaten, rund 0,7 Prozent des BIP auszugeben, weit entfernt, wie Hödl kritisierte.

Während bei der multilateralen Entwicklungszusammenarbeit Industrieländer Zahlungen an überstaatliche Zusammenschlüsse und Organisationen leisten, welche die Gelder verwalten, gehen in kirchlichen Hilfsorganisationen die Spenden direkt an Partnerorganisationen, die vor Ort der Hilfsbedürftigkeit der Menschen entgegenwirken. So war es durch die große Spendenbereitschaft der Österreicher möglich, 250 000 Opfer des Erdbebens in Haiti im vergangenen Jahr mit Nothilfepaketen zu versorgen, resümierte der Caritas-Auslandshilfechef Christoph Schweifer. Er betonte aber auch die aktuelle Not am Horn von Afrika: "Wir sind mitten in der Katastrophe.“ Zwölf Millionen Menschen sind von der Dürrekatastrophe betroffen.

In Ostafrika sei bei der Hilfsbereitschaft ein "langer Atem“ notwendig, wie Erwin Eder, Geschäftsführer der Dreikönigsaktion und Katholischen Jungschar, hervorhob. Langfristige Hilfe sei als Vorbeugung von Katastrophen wichtig, ebenso wie der Aufbau von Selbsthilfestrukturen. Letzteres sei durch langjährige Zusammenarbeit der Dreikönigsaktion mit der Diözese Lodwar im Nordwesten Kenias auf eindrucksvolle Weise gelungen: "Dort sind die Pfarren und die diözesanen Alphabetisierungs- und Gesundheitszentren in diesen Katastrophenmonaten für viele Hungernde der einzige Rettungsanker“, weiß Eder.

Leere Kilometer kompensieren

Die Dreikönigsaktion konnte ihr Engagement für benachteiligte Menschen in Afrika, Lateinamerika und Asien weiter ausbauen. 2010 wurden über zwölf Millionen Euro für Projektarbeit verwendet.

Eder ist überzeugt: Die 85 000 Sternsinger-Kinder werden bei der kommenden Aktion "ihre Kilometerleistung erneut steigern.“ Es sei aber "eine Schande, dass Kinder die leeren Kilometer der Politiker kompensieren müssen.“

Die nächste Spendenaktion steht bereits vor der Tür: Am 23. Oktober sammeln die Päpstlichen Missionswerke im Rahmen des Weltmissions-Sonntags in allen Pfarren Österreichs für die 1100 ärmsten Diözesen der Welt.

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