Es gibt viele private Umstände, die ein Mensch vor der Medienöffentlichkeit verbergen möchte. §§ 7 und 7a des Mediengesetzes bieten einen Schutz des höchstpersönlichen Lebensbereiches und einen Identitätsschutz.
Dieser Schutz kann aber u. a. dann nicht beansprucht werden, wenn angenommen werden kann, dass der Betroffene mit der Veröffentlichung einverstanden war: ein Ausschlussgrund, der in der Praxis von großer Bedeutung ist und sehr streng geprüft wird.
Das Oberlandesgericht Wien hat im „Fall Amstetten“ nun überraschend relativ allgemeine Aussagen des Rechtsvertreters des Opfers als Zustimmung zur identifizierenden, objektiven Berichterstattung gewertet. Ansprüche des Opfers wurden abgelehnt, nachdem das Erstgericht zuvor noch Entschädigungen zugesprochen hatte.
Nach Ansicht des OLG müsse sich das Opfer nämlich das Verhalten ihres Rechtsvertreters zurechnen lassen. Dieser habe in Interviews gegenüber der Presse ihren Namen genannt und dadurch an der medialen Erörterung teilgenommen. Journalisten könnten und dürften daher davon ausgehen, dass sie in sachlicher Weise über den Verbrechenshergang und über die Tatfolgen unter Namensnennung der Opfer berichten dürfen.
Sogar die Bezeichnung des Opfers als „Sexsklavin im Bunker“ wurde vom OLG Wien als noch objektiv gewertet. Dadurch werde lediglich vermittelt, dass das Opfer im Keller jederzeit für die von ihrem Vater angestrebten Sexualkontakte zur Verfügung stehen musste. Gerade dieser Umstand sei aber einer der zentralen Vorwürfe des Strafverfahrens. Schließlich sei auch eine Verurteilung des Josef F. u. a. wegen Sklaverei nach § 104 des Strafgesetzbuches erfolgt.
Eine bedenkliche Entscheidung gegen den Opferschutz. Sie macht einmal mehr deutlich, dass jeder Medienkontakt, jede mediale Äußerung dramatische Folgen nach sich ziehen kann.
* Die Autorin ist Medienanwältin und vertritt u. a. den „Standard“
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