Wagner-Schwere abgestreift

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Tiroler Festspiele Erl: Richard Wagners "Ring" als Gesamtkunstwerk, neu interpretiert von Gustav Kuhn.

Das Haus, weiß und schneckenförmig, ist von der Autobahn aus zu sehen. Dort hat sich mitten im Grünen seit 1998 ein Festival entwickelt, in dem sich die Utopie des Musikers Gustav Kuhn mit jener Richard Wagners auffallend trifft. Was in den letzten Jahren einzeln in Erl erarbeitet worden ist, wurde heuer zum "Ring" geschmiedet und hat ein internationales Publikum zu Standing Ovations hingerissen.

Der fast unschlagbare Trumpf der "Tiroler Festspiele Erl" ist das 120-köpfige Orchester, gebildet von jungen Leuten aus 16 Nationen, die sich unter Kuhn zu einem Klangkörper sondergleichen entwickelt haben. Der Intendant, Dirigent und Regisseur stellt seine jungen Musiker, die ohne gewerkschaftliche Einschränkung und bei schlechter Bezahlung in Erl bis zur Erschöpfung arbeiten, auch stets heraus.

Dem kammermusikalisch durchsichtigen, ungemein klangsensiblen, bei Bedarf auch durchschlagskräftigen Wagner, den Kuhn mit jungen Sängern aus seiner italienischen Musikakademie bestreitet, steht szenisch eine Arte povera gegenüber: In Erl ist die Phantasie gefordert. Kuhns szenische Lesart des "Rings" führt zu einer Einfachheit der komplizierten Thematik zurück, zu klaren, mitunter auch ironischen Bildern, die sich durch die fehlenden technischen Möglichkeiten des Passionsspielhauses ergeben. Details sind anfechtbar, im Ganzen kommt man Wagners Idee des Gesamtkunstwerks und der Raum-Zeit-Einheit sehr nahe. Hier streift das Publikum die Wagner-Schwere ab, nimmt Modernismen an und stellt die musikalische Umsetzung vor die Optik.

Die zwei "Ring"-Zyklen waren heuer ausverkauft und wurden von über 16.000 Besuchern erlebt. Sie kamen aus Österreich (44 Prozent), Deutschland (43 Prozent), Frankreich, der Schweiz, Italien, Großbritannien, Skandinavien, Japan, Australien und den USA. Viele haben sich bereits Tickets für 2004 gesichert, denn auch nächsten Sommer gibt es im Juli wieder zweimal den "Ring" in Erl.

Informationen: Tel. 0512/578888

www.tiroler-festspiele.at

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