Wagnerianer hinausgejäkelt

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Mit der "Götterdämmerung" endete Gisbert Jäkels ungeliebte "Ring"-Inszenierung in Graz.

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Mit der "Götterdämmerung" endete Gisbert Jäkels ungeliebte "Ring"-Inszenierung in Graz.

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Kehraus in der Grazer Oper zu Saisonbeginn, wenn zu den Schlussakkorden der "Götterdämmerung" eine Putzfrau mit Besen sich ans Aufräumen der Bühne macht: das hat Symbolwirkung für das Publikum, das auch den vierten Abend von Gisbert Jäkels ungeliebter "Ring"-Inszenierung lautstark ablehnte. Und das sicher nicht zu Unrecht. Denn trotz mancher schlüssigen Lösung, trotz visueller Verdeutlichung menschlicher Beziehungen in einigen wenigen Passagen, trotz der hochdynamischen Chorszene mit Hagen (Hans Sisa nützt alle Register und Nuancen seiner Prachtstimme), trotz manch treffender Assoziation: Es bleibt bei der Zimmerschlacht, auf deren Ausmaße Jäkel das Weltgedicht von Wagners "Ring" zugestutzt hat, bei den Ungereimtheiten und Rätselspielen, die dem Zuschauer zugemutet werden.

Dann und wann rettet sich der Regisseur in konzertant-frontale Darbietung, wie in der von Mihoko Fujimura fulminant gesungenen Szene der Waltraute oder bei den hinter Notenpulten aufgereihten Nornen. Die Rheintöchter dürfen hingegen etwas Bein zeigen, und die Brautwerbung wird zum Kasperlstück.

An dieser Inszenierung wird deutlich, daß die heute übliche Rückholung von Wagners mythologischer Verfremdung gesellschaftlicher Zustände und Probleme ins Banal-Alltägliche keineswegs zu künstlerisch fruchtbarer Spannung führen muss, sondern eher eine Kluft zwischen der Sprache der Musik und ihrer trivialen szenischen Entsprechung aufreißt.

Immer wieder wird in diesem Grazer "Ring" die Vorlage besserwissend ergänzt und manieristisch umgedeutet: So etwa ist Gutrune bei Jäkel eine nymphomanische Süchtige, inzestuös abhängig von ihrem Bruder Gunther, und straft damit das züchtige Terzenthema Lügen, das der Komponist ihr zugedacht hatte. Den Gibichungen, einer miesen, degenerierten Sippschaft, gönnt der Regisseur kein bisschen "diskreten Charme der Bourgeoisie" und lässt auch an Siegfried kein gutes Haar. George Gray, dessen metallisch gefärbter Tenor gegen Schluss stark ermüdete, bleibt ein bulliger Dickhäuter ohne Nuancen. Einzig Brünnhilde scheint der Regisseur gelten zu lassen - Gabriele Maria Ronge verleiht ihr souveräne Größe im schmerzvollen Begreifen; sie darf am Schluss das im Rollstuhl hereingekarrte Wotan-Wrack zum Abschied küssen und nach bravourösen Hochtönen den Vorhang über die Katastrophe zuziehen.

Nichts ist jedenfalls mit dem "Prinzip Hoffnung", so schön die Grazer philharmonischen Geigen in den letzten Takten auch das Erlösungsmotiv zelebrieren. Alberich (Bj¿rn Waag) bleibt am Leben und die Zukunft daher düster, weil Jäkel Wagners "großbogigem Jubel und der seligmachenden Melodie" (Ernst Bloch) des Des-Dur-Schlusses partout widersprechen muss.

Intendant Gerhard Brunner hätte die Grazer Wagnerfreunde längst aus dem Haus gejäkelt, wäre da nicht die unglaublich dichte Interpretation der Partitur durch Ulf Schirmer, der Sänger und Orchester die musikalische Dramaturgie in Wohlklang wie in schneidender Schärfe mit größter Intensität nachvollziehen lässt. Ein paar verwackelte Einsätze können die hohe Qualität des Orchesters nicht mindern, das diesmal mit exzellenten Leistungen der Bläser zum triumphalen Erfolg der musikalischen Wiedergabe des Werkes entscheidend beitrug.

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