Wahlen einst und jetzt

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Der Wahlkampf war kurz und heftig: polemisch im Stil wie rüde im Umgangston, kurzum ein garstig Lied. Darin stimmen zumindest Beobachter, Journalisten und Parteistrategen überein: letztere sprachen mit Blick auf den Gegner je nach Perspektive von Über-oder Untergriffen.

Somit sah die besorgte Öffentlichkeit wieder einmal die politische Kultur arg bedroht. Das Leitmotiv der Berichterstatter geriet zum Leidmotiv der notorischen Sprachschützer, die stets der besseren Vergangenheit nachtrauern. Doch zwischen anscheinend und scheinbar verläuft eine semantische Grenze. Und so zerstört ein Blick in die Archive manche voreilige Illusion.

So sind etwa die Parteien in der unmittelbaren Nachkriegszeit recht harsch miteinander umgegangen, was auch die Vorliebe für Reime nicht wettmacht. Gerade 1956, beim ersten Wahlkampf im freien Österreich, erklingen besonders raue Töne. Die SPÖ rührt an alte Wunden ("Wehrt euch gegen die Henker von 1934"), während die ÖVP den Heimkehrern in den Mund legt: "Bringt die Heimat nicht dorthin, wo wir herkommen!" Drei Jahre später rät die SPÖ dem Kanzler: "Herr Raab, gehen Sie mit der Zeit ... gehen Sie!" Sie setzt auf den eigenen Kandidaten mit dem Wortspiel "Pittermann für jedermann, jedermann für Pittermann", das die ÖVP negativ fortschreibt: "Wählt jedermann den Pittermann, wird's bitter dann für jedermann." Und die schon als FPÖ kandidierende dritte Kraft warnt deftig: "Wählt ihr die beiden noch einmal, bleibt wieder nur der Ferkelstall!"

Dass die Textsorte Wahlwerbung ihre eigenen Gesetze hat, zeigt ein Traktat, den Cicero vor über 2500 Jahren von seinem Bruder Quintus erhielt. Darin werden unseriöse Wahlversprechen ebenso gebilligt wie die Verunglimpfung des Gegners nahegelegt und ein gefälliges Auftreten empfohlen. Die Televisionen unserer Tage lassen von Ferne grüßen.

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