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Es gärt im Islam. Die jüngsten Ausbrüche erlebte die Welt im Iran, wo demonstrierende Studenten auf eine Beschleunigung des Reformporzesses (und keineswegs auf eine Abschaffung) der Islamischen Republik drängten. Während der zuletzt von Ausschreitungen begleiteten Aktionen war es nicht immer leicht, den Überblick zu wahren, denn die für den gemäßigten Staatspräsidenten Khatami demonstrierenden Studenten wurden zuletzt von diesem selbst zurückgepfiffen. Hinterher glaubt man zu wissen, daß ultrakonservative Mullahs die Ausschreitungen provoziert hatten, um zurückschlagen zu können, und Khatami eine Entgleisung des Reformprozesses ins Chaos verhindern wollte. Das würde bedeuten: Der vorsichtige Demokratisierungsprozeß im Iran hat eine Bremsung, aber keinen Rückschlag erfahren. Der "iranische Gorbatschow" möchte die Fehler des letzten Sowjetpräsidenten vermeiden, der in russischer Sicht zu schnell zuviel änderte, aber durchaus behutsam den Weg zu mehr Liberalität, mehr Demokratie, mehr Freiheit weitergehen.

Der Vergleich mit der Türkei drängt sich auf: Hier hat Kemal Atatürk nach dem Ersten Weltkrieg versucht, das Land quasi über Nacht von einer rückständigen islamischen Monarchie in eine moderne westliche Demokratie zu verwandeln. Das Experiment schien zu gelingen. Mehr als ein halbes Jahrhundert später mußte man erkennen, daß der Wandel in der Volksseele noch immer nicht verdaut war. Kurzfristig schienen die Traditionalisten sogar auf eine Rückkehr hoffen zu dürfen. Jetzt haben die "Laisierer" wieder die Oberhand.

Die Lehren der Geschichte sind eindeutig: Wandel muß sein und Bewahren muß sein. Zuviel vom einen oder vom anderen, zu rasche oder gewaltsame Veränderungen in die eine oder in die andere Richtung bewirken oft das Gegenteil oder das Chaos.

Mit Augenmaß verfolgte Reformen, die der unaufhaltbaren Entwicklung der Weltgeschichte ebenso wie dem Bedürfnis nach innerer und geistiger Stabilität Rechnung tragen, ermöglichen das Ausschreiten auf ein bißchen mehr Frieden, mehr Freiheit, mehr Menschlichkeit hin.

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