Wandlung statt Weltuntergang

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Vor 50 Jahren vollendete Herbert Boeckl die Seckauer Apokalypse, sein epochales Fresko über die Offenbarung des Johannes, das die Engelskapelle in der steirischen Abtei schmückt.

Apokalypse Now, Weltuntergang hier und heute. Der Film mit diesem Titel ist schon in die Jahre gekommen, der Vietnamkrieg, damals 1979 Hintergrund der Geschichte, gilt als beendet. Die Apokalypse hingegen bleibt trotzdem alle Zeiten überdauernd aktuell. Für unmittelbar bevorstehend wurde sie inzwischen oftmals angekündigt, aber eingetroffen scheint sie noch nicht zu sein. Oder haben wir sie bloß nicht wahrgenommen? Konnte sie sich im Wettstreit mit all den anderen Unwichtigkeiten, die in der Mediengesellschaft ständig durch alle Vermittlungskanäle gewälzt werden, keine Sichtbarkeit erobern? Vieles deutet ja darauf hin, dass die Apokalypse jenen Prozess meint, der jeden einzelnen Menschen und damit die Menschheit insgesamt alltäglich begleitet. Damit hat sie sich bereits ereignet und steht gleichzeitig paradoxerweise erst bevor.

Auf alle Fälle hat es die Apokalypse immer wieder in die Sichtbarkeit geschafft, seit sie vor beinahe zwei Millennien von Johannes auf Patmos als Text aufgeschrieben worden ist. Unzählige Künstler fühlten sich direkt oder per Auftrag zu einer Ausformung der dort erzählten Geschehnisse in imposanten Bildern veranlasst. Das hierzulande letzte Meisterstück in dieser Tradition setzte Herbert Boeckl (1894-1966) als Freskomalerei in die Engelskapelle der Benediktinerabtei Seckau in den steirischen Alpen.

Der Ausgangspunkt für diese gewaltige Auseinandersetzung mit einem der größten Menschheitsthemen klingt banal. Als Boeckl im Jahr 1949 mit dem Schulgeld für seinen Sohn, der das Stiftsgymnasium besuchte, im Rückstand war, schlug ihm der Abt kurzerhand vor, sich stattdessen der Ausgestaltung der Kapelle zu widmen. Im Gegensatz zu vielen großen Künstlern, die bei der Bearbeitung eines Themas, bei dem im Laufe der Geschichte der Kunst beinahe alle Möglichkeiten schon durchgespielt worden sind, es nicht schaffen, dieser Tradition noch einen überzeugenden Beitrag hinzuzufügen, gelingt es Boeckl, diese übermächtigen Vorgaben in die eigene Arbeit zu integrieren. Zunächst, weil ihm klar ist, dass er sich von der Geschichte abheben muss. "Ich habe die Apokalypse auswendig gelernt und dann weggelegt. Dann muss es von innen wirken - ein inneres Bild soll entstehen. Man kann keine Literatur malen, wie es Dürer getan hat.“ Andererseits hindert ihn dies nicht daran, Anregungen aus der Tradition zu schöpfen. Eine Spanienreise diente dazu, vor allem romanische Vorlagen mit bildnerischen Mitteln zu studieren; aber genauso Einflüsse aus der ägyptischen Kunst unterstützen ihn, wenngleich diese durch die christlich-künstlerische Aufbruchbewegung der Malerschule von Beuron im 19. Jahrhundert vermittelt sind.

Eine achtjährige Malarbeit

Zwischen 1952 und 1960 arbeitet Boeckl intensiv an den einzelnen Figuren aus der Apokalypse des Johannes und an deren bestmöglicher Positionierung in der vorgegebenen Raumsituation. Weil es für ihn nicht nur um seinen eigenen Blick geht, der durchaus der eines Gläubigen ist, sondern auch um die "in der Geschichte des Glaubens ausgeformten Werke“, entwickelt er noch einmal eine neue Formensprache in seinem Gesamtœuvre. Trotz der Gewichtigkeit des Themas, oder vielleicht gerade deswegen sieht er den Ausgangspunkt in einem Kinderherzen, das "liebt und leicht gesprungen“ ist. Diese Leichtigkeit macht aus Boeckls Interpretation der Apokalypse aber keineswegs ein Leichtgewicht. Seine Figuren sind voller symbolischer Bedeutung, die man sich aneignen muss. Andererseits ist dieses Wissen nicht unbedingt notwendig, wie bei aller großer Kunst erzählen sie auch von sich aus eine aufwühlende Geschichte - vielleicht sogar von deren Ende.

Boeckls Apokalypse lehrt: Da ist nicht unbedingt der Weltuntergang angepeilt, sondern - wie in der Eucharistiefeier - eine allumfassende Umformung. Dies trifft sich mit der Intention des Künstlers, "denn das eigentliche Anliegen des Malers ist die Wandlung“.

Die Seckauer Apokalypse

Von Othmar Stary, Fotos: Severin Schneider. Edition Seckau 2011 (www.

abtei-seckau.at). 120 S., geb. e 9,80

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