Waren die Weißen schon immer weiß?

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Zwei Briten fassen unser Wissen über die Abstammung der Menschheit zusammen und rutschen dabei ein wenig aus.

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Zwei Briten fassen unser Wissen über die Abstammung der Menschheit zusammen und rutschen dabei ein wenig aus.

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Über den Ursprung der Menschheit hat man sich zu allen Zeiten den Kopf zerbrochen. Der Paläoanthropologe Chris Stinger und der Journalist Robin McKie geben die - vorläufig - jüngste Antwort. In ihrem Buch "Afrika, Wiege der Menschheit - Die Entstehung, Entwicklung und Ausbreitung des Homo sapiens" steht zwar nicht wirklich Neues, aber die beiden Engländer machten das verfügbare Wissen verständlich und fügten es zu einem Ganzen.

Was sie mit einer gewissen Kühnheit als revolutionierende neue Beweise bezeichnen, betrifft vor allem die Abstammung aller Mitglieder der gegenwärtigen Spezies homo sapiens von einer einzigen Gruppe, die auf höchstens 10.000 Köpfe geschätzt werden könne. Vor 100.000 Jahren hätte ein extrem schlechtes Klima die damalige Menschheit fast ausgerottet. Wahrscheinlich meinen die Autoren die kurz aufeinanderfolgenden Eiszeiten zwischen 500.000 und 125.000 vor Christus, in denen Afrika austrocknete.

Die Fossilien, auf die sie sich stützen, stammen aus dem Nordwesten Kenyas und dem nicht weit davon entfernten Nordost-Kongo. Auch im heutigen Kongobecken, auf der anderen Seite des Riftvalleys, verschwanden die Urwälder, ließen jedoch längs der Flußränder sogenannte Galeriewälder bestehen. In solchen ökologischen Nischen müßten auch andere Gruppen die Möglichkeit zum Überleben gehabt haben. Wie sich bei Pygmäen und Buschmännern beobachten läßt, verkleinern Jäger und Sammler bei ungünstigen Bedingungen ihre Gruppen bis herunter zur Kernfamilie. Solche Familien ziehen über riesige Gebiete, um zu überleben, wobei sie sich periodisch mit anderen treffen. 10.000 Erwachsene sind hier sehr viel, wenn man bedenkt, daß ja nur die wenigen noch relativ feuchte Gebiete durchwandert wurden. Heute, in verhältnismäßig günstigen Zeiten, beträgt die Bevölkerungsdichte der Pygmäen im Kongo in ihrem Lebensraum weit unter einer Person pro drei Quadratkilometer.

Die Nachkommen dieser mutmaßlichen 10.000 Menschen haben in den folgenden 75.000 Jahren die ganze Welt bis Feuerland besiedelt. Punkt für Punkt widerlegen die Autoren die (seit längerem widerlegten) Argumente für eventuelle unabhängige, regionale homo-sapiens-Entstehungen etwa in Asien. Aus Fossilien läßt sich zwar nicht auf die Hautfarbe schließen, doch der Brite Jonathan Kingdon schreibt, die ursprünglichen Afrikaner seien vermutlich hellbraun gewesen. Erst in Südostasien seien sie beim Fischen in der prallen Sonne schwarz geworden und "die dafür verantwortlichen Gene verbreiteten sich über Südasien und einige gelangten zurück in die afrikanische Heimat des Menschen". Wo sie sich offensichtlich blitzschnell verbreiteten wie ein Grippevirus, denn "nach den derzeitigen Erkenntnissen hatten die modernen Menschen zunächst alle Vorteile einer hellbraunen Haut". Welche Vorteile, erfahren wir leider nicht. Und hatte die pralle Sonne Afrikas gar keine Wirkung?

Im Unterschied zu anderen Theorien, die sie dezidiert ablehnen, zeigen sich Stinger und McKie mit dieser These einverstanden. Bereitet es ihnen Schwierigkeiten, von Schwarzen abzustammen? Oder setzen sie bei ihren Lesern eine solche Abneigung voraus? Was sie schreiben, läuft ja darauf hinaus, daß wir Weiße immer schon weiß waren, wenn auch unsere Vorahnen in prallster afrikanischer Sonne eine leichte Bräunung nicht vermeiden konnten.

Immerhin bieten sie einen Überblick über die Zweige der Paläoanthropologie und Evolutionspsychologie bis hin zur Humangenetik. Und noch sind ja die Forscher weit entfernt von einer gemeinsamen Meinung.

AFRIKA - Wiege der Menschheit Von Chris Stinger und Robin McKie, Limes Verlag, München 1997, 383 Seiten, geb., öS 321,

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