Warlord in Präsidentenkleidern

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Auch Jesus wurde seinerzeit angeklagt, ein Mörder zu sein", meint Charles Taylor, seit Montag ehemaliger Präsident Liberias, zur Anklage gegen seine Person am internationalen Kriegsverbrechertribunal in Sierra Leone. An Selbstvertrauen mangelt es dem 55-jährigen Politiker nicht. Doch so einzigartig, wie der neue Ex-Staatsmann Taylor meint, ist er keineswegs. Die Ereignisse der letzten Wochen haben etwas von einem déjà-vu Erlebnis: Ein blutiger Diktator sitzt in Monrovia während eine mordende Rebellenarmee auf die liberianische Hauptstadt vorrückt. Auf beiden Seiten plündern und massakrieren unter Drogen stehende Kindersoldaten und Milizen die Zivilbevölkerung und hinterlassen Leichenberge. Die Geschichte des westafrikanischen Landes scheint immer wieder von vorne zu beginnen.

Die 1847 von den USA als Kolonie für befreite schwarze amerikanische Sklaven gegründete Republik wurde über ein Jahrhundert lang von einer kleinen Minderheit, den "Americo-Liberians", regiert. Der Wohlstand dieser Elite gründete auf den Exporterlösen von Erz, Holz und vor allem Kautschuk.

Taylors Vater entstammte eben dieser elitären Schicht afro-amerikanischer Liberianer und so konnte der am 28. Jänner 1948 in Monrovia geborene Charles Taylor sein Wirtschaftsstudium in den USA absolvieren. 1980 kehrte Taylor nach Liberia zurück, eben in dem Jahr, in welchem der Kampf um die Führung des Landes begann. Obwohl Taylor für den Präsidenten W. Tolbert, der in seinem Schlafzimmer ermordet wurde, gearbeitet hatte, konnte Taylor seinen Kopf in die nächste Regierung unter dem - durch einen Putsch an die Macht gekommenen - Offizier Samuel Doe hinüber retten. Er bekam die Staatsfinanzen überantwortet. Als Taylor von Doe der Unterschlagung bezichtigt wurde, floh er in die USA, wo er verhaftet wurde. Nach seiner Flucht aus dem Gefängnis tauchte Taylor unter, bis er 1989 als Kopf einer Rebellentruppe von der Elfenbeinküste aus in Liberia eindrang. Der Bürgerkrieg, der 14 Jahre lang das westafrikanische Land heimsuchen sollte, hatte begonnen.

1996 konnte Charles Taylor den Krieg schließlich für sich entscheiden. Dass 1997 eine große Mehrheit ihn zum Präsidenten wählte, ist eine Tatsache, die wohl eher auf Waffengewalt als auf sein demokratisches Regierungsprogramm zurückzuführen ist. Dem Bürgerkrieg in Liberia hat die offizielle Machtübernahme Taylors keinen Abbruch getan. Und weil ein Rebellenchef nicht einfach über Nacht zum humanen Staatschef wird, exportierte Taylor kurzer Hand den einträglichen Wirtschaftsfaktor "Krieg" in das benachbarte Sierra Leone und verdiente sich an dem Geschäft Rohdiamanten gegen Waffen eine goldene Nase.

Die Sanktionen der UNO, u.a. gegen den Handel mit "Blutdiamanten", sowie der zunehmende internationale Druck zwangen den selbst ernannten Messias am Montag seine Rolle als "Opferlamm" hinzunehmen, sein Amt niederzulegen und ins Exil zu gehen. In einer Rede betonte er, nicht aus Angst trete er zurück, sondern aus Liebe zu seinem Volk. Die Bevölkerung Liberias, ausgeblutet und am Rande einer humanitären Katastrophe, ist gezeichnet von dieser Liebe eines Warlords, der zum Staatsoberhaupt mutiert ist. Taylors Abschiedsworte klingen für die Liberianer wohl kaum wie eine Verheißung auf paradiesische Freuden: "Ich komme wieder, so Gott will". Veronika Thiel

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