Warnung vor menschlicher Hybris

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Sie gehen nicht, sie schreiten. Sie reden nicht, sie deklamieren. Das Geschehen vollzieht sich in Zeitlupe, fünfzig Seiten Text werden auf vier Stunden gedehnt. Die Sprache wird durch Musiker in einen Rhythmus übertragen, der von den Darstellern aufgenommen wird. Und wenn es sich besonders zuspitzt, nimmt nicht nur die Lautstärke Rockband-Stärke an (für Empfindsame werden Ohrstöpsel ausgegeben), dann sammeln sich Darsteller auch noch zu einem Chor, um die Wucht noch einmal zu steigern. Wiederholungen wirken dabei wie Rituale zur Stärkung der Aussage. Das alles sind Signale, dass das, was auf der Bühne des Landestheaters verhandelt wird, von außergewöhnlicher Bedeutung ist, und entspricht dem, was sich Aischylos für das Theater vorgestellt hat.

Ulrich Rasche, für Regie und Bühnenbild zuständig, reicht das aber nicht, er befestigt auch noch zwei gewaltige Drehscheiben auf der Bühne, die die Schauspieler dazu nötigen, sich in ständiger Bewegung zu halten. Die Inszenierung ist angelegt als ein sinnenüberflutendes monströses Drama des Untergangs, in dem Katastrophenstimmung durchvariiert wird. Keine Frage, das Stück ist eines für unsere Gegenwart.

Was in dieser konzentrierten Form von herrischem Pathos besetzt sein könnte, aberwitzig für unsere Gegenwart, wirkt im Fall von Aischylos' "Die Perser" hervorragend. Das liegt daran, dass Aischylos, der auf griechischer Seite selbst an der Schlacht von Salamis beteiligt war, die den Niedergang der persischen Armee besiegelte, nicht aus der Perspektive der Sieger schrieb, um die Feinde zu verhöhnen, sondern er würdigte sie in ihrer Tragik, die Zukunft verspielt und tausende junge Männer sinnlos aufs Spiel gesetzt zu haben. Dabei haben Angriffskriege in der Geschichtsschreibung keine guten Karten. Xerxes in seinem Machtrausch sah die Griechen allenfalls als Sparringpartner, leicht zu überrennen von einer militärischen Übermacht. Sein Verhalten entspricht dem eines Großverbrechers der Geschichte, und doch steigt er bei Aischylos generös als geschundene Kreatur noch gut aus. So kann man das Stück als Literatur lesen, die warnt, dass menschliche Hybris jeden einholen wird.

Rasche unternimmt einige Anstrengungen, um das zu illustrieren. Wenn der Ältestenrat stolz von der Stärke der Armee redet, marschieren im Hintergrund die starken Männer in endloser Zahl auf. Herrscht Gewissheit, dass die Schlacht verloren ist, kommen sie wieder als Geschlagene, zerfetzt, innerlich zerstört, klagend. Überhaupt ist das Ganze ein großes Klagelied. Die Inszenierung bleibt dabei sehr nah an der Übersetzung des Dichters Durs Grünbein, einer sehr zeitgemäßen, bisweilen etwas saloppen Aneignung. Die Darsteller, allen voran Valery Tscheplanowa, Katja Bürkle und Patrycia Ziolkowska leisten Außerordentliches an Stehvermögen und stoischer Gelassenheit in Zeiten der Aufgeregtheit.

Die Perser Salzburger Landestheater, 26., 27.8.

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