Warten auf ein Pfingstwunder

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Auf ein Wort

Bald feiert ein Reizwort seinen ersten Jahrestag: der "Ungehorsam“. Geboren aus dem Mut der Verzweiflung heimischer Kleriker um Helmut Schüller. Viel ist in diesem einen Jahr geschehen. Nahezu 500 Priester und Diakone

• haben sich bisher als Mitglieder oder Unterstützer der "Pfarrer-Initiative“ aus der Deckung gewagt;

• haben sieben Forderungen an die Kirchenleitung formuliert: vom Kommunionempfang für wiederverheiratete Geschiedene bis zum Priesteramt für Frauen und "erprobte Männer“;

• haben dem Druck ihrer Oberen kühl widerstanden - von Kardinal Schönborns Mahnung "Das Wort ‚Ungehorsam‘ kann so nicht stehen bleiben!“ bis zur jüngsten päpstlichen Zurechtweisung;

Fehdehandschuh

• haben zuletzt auch mit der globalen Vernetzung ihrer Bewegung begonnen und so der "Amtskirche“ einen Fehdehandschuh von gefährlicher Dimension hingeworfen. Schüllers Auftritt im Alternativprogramm des Deutschen Katholikentags steht unmittelbar bevor.

Vermittlungsversuche sind bisher gescheitert: Der Vorschlag, das 7-Punkte-Paket aufzuschnüren und zunächst über die leichter lösbaren Themen zu reden, wurde von Schüller & Co. abgelehnt. Benedikt XVI. wiederum verweigert der "Pfarrer-Initiative“ jedes Gespräch. Vermittlungstreffen zwischen Bischöfen und "Rebellen“ haben sich zuletzt zerschlagen. Vermittlungsgesten à la "Wir sind im Gespräch und bleiben es auch“ setzen nur auf Zeitgewinn.

Unter diesen Vorzeichen wird jetzt der Druck Roms auf den Wiener Erzbischof erkennbar stärker. Dem einstigen Lieblingsschüler Joseph Ratzingers schlägt wachsende Ungeduld entgegen: Er habe ein anfangs kleines Feuerchen zu groß werden lassen - und mit seinem "Ja“ zu einem schwulen Pfarrgemeinderat ein falsches Zeichen der Ermutigung für innerkirchlichen Wildwuchs gesetzt. Konservative Internetforen sehen Schönborn bereits "außerhalb der Lehre“.

Angesichts zunehmend verengter Fluchtwege suchen Schlichtungsprofis wie der Pastoraltheologe Paul Zulehner das drohende Unheil mit Sprachspielen zu bannen: Das Wort vom Ungehorsam habe "gedient und zugleich ausgedient“, formulierte er. Das heißt: zurück an den Start - aber jetzt mit gesicherter gegenseitiger Aufmerksamkeit.

Zersplitterung & Bodenverlust

Tatsächlich: Senkt sich der (gerade um Pfingsten beschworene) Geist Gottes nicht rasch auf die Frontmänner hier wie dort, dann ist die Eskalation kaum aufzuhalten. Der Kirche könnte am Ende blühen, was auch die Politik von Berlin bis Athen soeben schockt: Zersplitterung und ein enormer Bodenverlust. Neue Kleinkirchen hier, neue Kleinparteien dort. Freilich: Der römischen Zentrale droht solches Ungemach auch dann, wenn sie es jetzt nicht schafft, ihre innere Verfasstheit den Anforder-ungen unserer gesellschaftlichen Wirklichkeit anzunähern. Starker Druck von unten ist also wichtig, solange er die innerkirchliche Reformbereitschaft stärker fördert als den Widerstand. Im Augenblick scheint es freilich, als würde das Schockwort "Ungehorsam“ die alte Kluft zwischen Hierarchie und Basis eher noch verbreitern als überbrücken helfen.

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