Warum unsere heilige Messe meist so fad ist

Werbung
Werbung
Werbung

Wenn Eucharistie ins Kreuzfeuer von Anspruch und banaler Realität gerät … Eine Replik auf "Das Opfer kehrt zurück“ von Ursula Baatz (FURCHE 42).

In ihrem FURCHE-Artikel vom 20. Oktober spielt Ursula Baatz zwei unterschiedliche Sichtweisen der Eucharistie gegeneinander aus, wobei sie aus ihrer Präferenz kein Hehl macht. Das fordert eine Entgegnung heraus. Anstoß zu ihrem Artikel bilden zwei Neuerscheinungen: Arnold Angenendts "Die Revolution des geistigen Opfers“ sowie das von mir herausgegebene Buch "Kultisch Szenisch Sinnlich Mystisch - Die Heilige Messe“/Echter 2011.

Auf den Punkt gebracht führt Baatz aus, Eucharistie sei kein "Gesamtkunstwerk“, wie dies "bemerkenswerterweise“ gerade von vielen künstlerisch geprägten Menschen, Atheisten und der Kirche ferne Stehenden empfunden würde, sondern eine "soziale Plastik von Menschen à la Joseph Beuys, die sich um Solidarität und Wahrhaftigkeit bemühen und dies gemeinsam feiern“. Des Weiteren wird entsprechend Angenendts Sichtweise betont, das sich die christliche Eucharistie in revolutionärer Weise vom "atavistischen Opferritual à la Nitsch“ verabschiedet hätte, im "Opfer“ vielmehr ein "geistiges Opfer“ zu sehen sei, das in einer ethisch korrekten Lebensführung seinen entsprechenden Ausdruck fände.

Orthodoxe Liturgie als Urbild?

"Die katholische Messe kann man in ihrer ganzen Tiefe und Tragweite nur verstehen, wenn man das Wesen der orthodoxen Liturgie wirklich versteht“, meint Abt Michael Proházka in "Die Heilige Messe“. Was eine grundlegende Erhellung des Mysteriums "Eucharistie“ betrifft, könnte uns sicher mehr als jede noch so "fulminante“ (Baatz), theologisch philosophische Studie wie z. B. die von Arnold Agenendt wohl eher eine meditative Verinnerlichung der tiefgreifenden Rituale der orthodoxen Liturgie Klarheit bringen, die ja, was ihr rituelles Gefüge, ihre universelle Symbolik und ihre archetypische Dramaturgie betrifft, zehnmal näher an der Quelle der "Ur-Messe“ liegt, als die unzähligen Veränderungen permanent unterworfene römische Liturgie.

Wenn diese kraftvolle spirituelle Speise, genannt Eucharistie, als Ort der Verkostung Gottes ganz offensichtlich ihren Nährwert verloren hat - im Klartext heißt das, dass die Messe in den allermeisten Fällen ganz einfach fad, inhaltsleer und energieschwach geworden ist und deshalb sich auch kaum jemand noch veranlasst sieht, hinzugehen! -, dann spuckt man das Zeug wie schal gewordenes Salz am Besten unverzüglich aus. Jesus verstand in diesem Punkt absolut keinen Spaß.

Es komme vor allem darauf an, dass die Gottesdienste in den Kirchen die Gegenwart des Auferstandenen spüren und erahnen lassen, anstatt Gesänge und "zeitgemäße“ Ausdrucksformen von gähnender Langeweile aneinanderzureihen. Das spirituelle Leben einer Kirchengemeinde ließe sich stets erneuern, wenn man durch die Schönheit und Lebendigkeit von Liedern und Hymnen allen, die danach verlangen, die Möglichkeit bietet, am eigentlichen MYSTERIUM der Liturgie teilzuhaben, so Frère Roger, begnadeter Gründer der Taizé-Gemeinschaft.

Natürlich steckt keine böse oder gar niederträchtige Absicht bei den Gestaltern der Liturgie dahinter, selbige in den Sand zu setzen. Die Wurzel des gegenwärtigen rituellen Notstands liegt allein im verlorengegangenen Wissen, wie man ein Ritual richtig zelebriert, damit es auch die entsprechende heilsame Wirkung bei den Adressaten, den Gläubigen hervorzurufen vermag.

"Die Leute, die den jüdischen Tempelkult kreiert haben, haben es von den Ägyptern gelernt. Und die frühen Christen haben es sich wiederum von den Juden abgeschaut. Natürlich war da Ägypten beteiligt. Da waren Leute am Werk, die 2000 Jahre Ritualismus im Kopf gehabt haben. Die haben gewusst, worauf es ankommt. Da waren Künstler und keine Buchhalter mit Funktionärsmentalität wie heute am Werk. Bitte, im Jahr 400 ist dieses Kunstwerk schon gestanden. Das war ein kostbarer Augenblick in der Menschheitsgeschichte!“, so Adolf Holl in "Die Heilige Messe“.

Tatsache ist, dass unsere Kirchen sich geleert haben. Wieso werden dann nicht die entsprechenden Konsequenzen gezogen? Indem z. B. alle für die Liturgie Verantwortlichen - allen voran die zelebrierenden Priester, sodann die Gestalter der Liturgie, die Kirchenmusiker, die Lektoren etc. -, einer eingehenden Initiation in die Ars celebrandi unterzogen werden? Aber bitte nicht durch Liturgiewissenschaftler und Theologen, wie dies bisher gehandhabt wurde und leider immer noch wird! Es werden ja auch keine Schauspieler durch Literatur-Professoren und Sprachforscher bühnenreif gemacht.

Hermann Nitsch als Zeuge

Nein, die Eucharistie ist natürlich keine soziale Plastik. Das absolute Gegenteil ist der Fall. Die Eucharistie ist der Ort der orgiastischen Daseinsfindung, wie Hermann Nitsch der katholischen Messe im Buch "Die Heilige Messe“ begeistert attestiert.

Im Verständnis der liturgischen Tradition des Ostens steigt der Geist nur durch die "Magie des beseelten Gesanges“ herab. Wenn aber jetzt viele Zelebranten überhaupt nicht singen können, weil ihnen in der Ausbildung nie Magie und Macht des Gesanges vermittelt wurde? Wenn das Gottesvolk oftmals gezwungen wird, einen spirituellen Schrott an Kirchengesängen singen zu müssen? Wenn ein Organist die singende Gemeinde in einem Tempo vor sich hertreibt, als gelte es einem Ungeheuer zu entfliehen und obendrein wunderbare, alte Kirchenlieder mit modernen "Harmonien“ begleitet werden, dass es einem die Schuhe auszieht - wie soll da dann der Geist herabsteigen?

Damit kein Missverständnis aufkommt: Ich plädiere absolut nicht für ein Zurück zur "Tridentinischen Messe“. Die ist ein für allemal passé und wird vorwiegend von Exponenten jener Kreise propagiert, die sich vor allem durch vorauseilenden Gehorsam nach oben wie durch inhumane faschistoide Repressalien nach unten outen und den lebendigen Geist der individuellen Freiheit und Kreativität unterdrücken wollen. Dort jedoch, wo Gott wohnt, ist Leben und da geht es ganz schön bunt zu.

Dieser Atem des Lebens und des lebendigen Geistes muss auch unsere Liturgie durchströmen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung